Update KI-Recht: GEMA verklagt OpenAI
Wir fassen für Sie zusammen, was über das Verfahren bereitsbekannt ist und um welche Rechtsfragen es gehen wird.
1. Klage der GEMA gegen OpenAI
Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) ist eine Verwertungsgesellschaft der Urheber musikalischer Werke. Sie hat derzeit über 95.000 Mitglieder in Deutschland und vertritt die Rechte von über zwei Millionen Rechteinhabern weltweit.
Mit Pressemitteilung vom 13. November 2024 gab die GEMA bekannt, dass sie beim Landgericht München I Klage gegen OpenAI eingereicht hat. Die Klage richtet sich sowohl gegen die US-amerikanische Muttergesellschaft OpenAI, L.L.C. als auch gegen die OpenAI Ireland Ltd., die ChatGPT in Europa betreibt.
Hintergrund der Klage ist der Vorwurf, OpenAI habe sein bekanntes Produkt ChatGPT unter anderem mit urheberrechtlich geschützten Songtexten trainiert, die auch aus dem Repertoire von GEMA-Mitgliedern stammten. Dies sei leicht nachzuweisen, da ChatGPT die Songtexte ohne weiteren Zugriff auf das Internet vollständig wiedergeben könne. Neben der Wiedergabe der Originaltexte hätten auch unautorisierte Bearbeitungen (Halluzinationen) sowie Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts festgestellt werden können. OpenAI habe also systematisch und unter bewusster Inkaufnahme von Rechtsverletzungen urheberrechtlich geschütztes Material verwendet, um sein KI-Modell zu trainieren. Die Nutzung der Liedtexte sei jedoch nur gegen eine angemessene Vergütung zulässig, wofür die GEMA ein aus ihrer Sicht faires Lizenzmodell entwickelt habe.
Rechtlich wird es, ähnlich wie im Verfahren von Robert Kneschke gegen den LAION e.V. vor dem Landgericht Hamburg, im Wesentlichen um die Anwendung der „Text- und Data-Mining“-Schranke („TDM-Schranke“) in § 44b UrhG gehen. Deren Voraussetzungen sieht die GEMA nicht als erfüllt an: Die TDM-Schranke sei bereits nicht anwendbar, zudem habe sie jedenfalls im Namen ihrer Mitglieder einen wirksamen Nutzungsvorbehalt erklärt – die Nutzung der Songtexte zum Training generativer KI sei daher in jedem Fall rechtswidrig.
Die GEMA sieht die Klage insbesondere als Musterverfahren zur Klärung zahlreicher noch offener Rechtsfragen. Sie wolle insbesondere den Einwand der KI-Anbieter entkräften, das Training ihrer KI-Systeme sei zustimmungs- und vergütungsfrei möglich. Denn das von ihr entwickelte Lizenzmodell habe sich am Markt noch nicht durchgesetzt, nicht zuletzt weil sich die KI-Anbieter auf ungeklärte Rechtsfragen beriefen.
Das Verfahren wird eine Reihe interessanter Rechtsfragen aufwerfen. Das LG München I wird sich mit der Frage zu befassen haben, ob die TDM-Schranke auf das Training generativer KI anwendbar ist. Das LG Hamburg hatte dies in seiner LAION-Entscheidung bejaht. Sollte das LG München I dieser Auffassung folgen, wird sich die spannende Frage stellen, ob die GEMA für ihre Mitglieder einen wirksamen, insbesondere „maschinenlesbaren“ Nutzungsvorbehalt nach § 44b Abs. 3 UrhG erklärt hat – aus den bisherigen Stellungnahmen der GEMA ergibt sich hierzu nichts Konkretes. Das LG Hamburg hatte jüngst in seiner (nicht rechtskräftigen) LAION-Entscheidung – durchaus überraschend – angedeutet, dass ein Nutzungsvorbehalt in Textform grundsätzlich den Anforderungen des § 44b Abs. 3 UrhG genügen könnte.
Vor diesem Hintergrund dürfte das Verfahren viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Funktion eines „Musterverfahrens“ kommt ihm nicht zuletzt deshalb zu, weil es verallgemeinerungsfähiger ist als das in der Sache etwas speziellere LAION-Verfahren. Es wird mit Spannung zu verfolgen sein, wie sich das LG München I – gerade auch im Vergleich zu den Hamburger Gerichten – zu den rechtlichen Kernfragen positionieren wird. Es dürfte jedoch als sicher gelten, dass die Rechtsfragen letztlich durch den BGH bzw. den EuGH geklärt werden.
2. Ausblick
Die unentgeltliche Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zum Zwecke des KI-Trainings sorgt seit langem für Unmut bei den Rechteinhabern. Denn nicht zuletzt ist die Qualität der Trainingsdaten, die häufig durch menschliche Kreativität geschaffen werden, Grundlage für die Leistungsfähigkeit eines KI-Modells, das anschließend in Konkurrenz zu den Kreativen tritt.
„KI-Klagen“ wie das LAION-Verfahren vor den Hamburger Gerichten und die GEMA-Klage gegen OpenAI dürften daher häufiger werden. Sie sind juristisch ebenso spannend wie herausfordernd, da Lösungen für eine Reihe ungeklärter Rechtsfragen gefunden werden müssen und die einzelnen Verfahren häufig tatsächliche Besonderheiten aufweisen. Spannend ist in jedem Fall, dass neben Einzelpersonen und Medienunternehmen nun auch Verwertungsgesellschaften als Kläger auftreten. Die GEMA prüft nach eigenen Angaben bereits, auch gegen weitere Anbieter von KI-Systemen vorzugehen.
Über die weitere Entwicklung in diesen und ähnlichen Fällen werden wir Sie in unserem Blog auf dem Laufenden halten.
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