Kunterbuntes Markenrecht – Die Hürden bei der Eintragung von Farbmarken
1. Vorbemerkungen
Unter einer abstrakten Farbmarke versteht man sowohl bei deutscher als auch bei europäischer Betrachtung nicht nur die Eintragung eines einzelnen spezifischen Farbtons für eine oder mehrere Waren oder Dienstleistungen, sondern auch die Eintragung bestimmter Farbkombinationen ohne Festlegung auf eine bestimmte Kontur, Form oder Gestaltung (vgl. BPatG, Beschl. v. 15. Dezember 2021, Az. 29 W (pat) 572/19 – Weißes k auf rotem Grund; Fezer/Fesenmair, MarkenR, 5. Aufl. 2023, § 8 MarkenG Rn. 126; BeckOK/Schumacher, MarkenR, 38. Edition, Stand: 1. April 2024, § 8 MarkenG Rn. 449; EUIPO, Prüfungsrichtlinien zu Marken, Teil B, Abschnitt 4, Kapitel 2.2.4 – Farbmarken).
Dass solchen Zeichenformen markenrechtlicher Schutz zukommen kann, ist heutzutage unumstritten und gesetzlich ausdrücklich geregelt. Für Deutschland weist § 3 Abs. 1 MarkenG, und für die Europäische Union weisen Art. 4 UMV und Art. 3 der Marken-RL ausdrücklich auf die grundsätzliche Eintragungsfähigkeit abstrakter Farbmarken hin.
2. Deutsche Farbmarken
Die Eintragung abstrakter Farben oder Farbkombinationen stellt Anmelder dennoch vor einige Hürden. Spätestens seit der Grundsatzentscheidung des EuGH in Sachen „Libertel“ (vgl. EuGH, Urt. v. 6. Mai 2003, Az. C-104/01 – Libertel) ist die Eintragung abstrakter Farben oder Farbkombinationen als originär kennzeichnungskräftige Marken nur noch in einem sehr engen Rahmen möglich.
Nach der Auffassung des EuGH ist der Verbraucher nicht daran gewöhnt, in Farben einen Herkunftshinweis zu erkennen, da ein markenmäßiger Gebrauch von Farben auf dem Markt grundsätzlich nicht üblich sei. Zudem könne der Verbraucher nur eine begrenzte Zahl an Farben bzw. Farbabstufungen unterscheiden, weshalb sich eine Farbe bereits von Haus aus weniger als Mittel der Unterscheidung eigne (vgl. EuGH, Urt. v. 6. Mai 2003, Az. C 104/01 – Libertel). Abstrakten Farben und Farbkombinationen fehlt daher im Regelfall das für eine Eintragung als Marke erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft (vgl. auch EuGH, Urt. v. 25. Juni 2004, Az. C-49/02 – Heidelberger Bauchemie GmbH; EuGH, Urt. v. 21. Oktober 2004, Az. C-447/02 P – Farbe Orange).
Darüber hinaus erkennt der EuGH ein erhebliches Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit von Farben an. Denn wenn es nur eine vergleichsweise geringe Anzahl an Farben gibt, die Verbraucher tatsächlich voneinander unterscheiden können, dann bestünde – wenn man die Eintragung von Farben als Marken ohne weitergehende Anforderungen gestattete – ein erhebliches Risiko für eine Monopolisierung von Farben durch einzelne Unternehmen. Schließlich könnte dann mit wenigen Markeneintragungen das komplette zur Verfügung stehende Farbspektrum dem freien Gebrauch entzogen werden (vgl. EuGH, Urt. v. 6. Mai 2003, Az. C-104/01 – Libertel; EuGH, Urt. v. 25. Juni 2004, Az. C-49/02 – Heidelberger Bauchemie GmbH; EuGH, Urt. v. 27. März 2019, Az. C-578/17 – Hartwall).
Die deutschen Gerichte haben sich dieser Auffassung angeschlossen (vgl. BGH, Beschl. v. 19. November 2009, Az. I ZB 76/08 – Farbe Gelb; BGH, Beschl. v. 21. Juli 2016, Az. I ZB 52/15 – Sparkassen-Rot; BPatG, Beschl. v. 26. Februar 2020, Az. 29 W (pat) 24/17 – Farbmarke Orange; BPatG, Beschl. v. 23. Juni 2022, Az. 30 W (pat) 517/20 – Farbkombination orange hellgrau).
Dementsprechend wird die Anmeldung abstrakter Farbmarken in aller Regel an einer fehlenden originären Unterscheidungskraft scheitern. Nur, wenn der Anmelder sich auf außergewöhnliche Umstände berufen kann, mag eine Eintragung einer Farbe als Marke aufgrund originärer Unterscheidungskraft in Betracht kommen. Eine ausnahmsweise originäre Schutzfähigkeit angemeldeter Farbmarken kommt etwa in Betracht, wenn die angemeldete Marke einen sehr engen spezifischen Markt und nur wenige Waren oder Dienstleistungen betrifft, die Verwendung von Farben auf dem betreffenden Markt grundsätzlich oder jedenfalls die angemeldete Farbe unüblich ist, oder der Verkehr durch entsprechende Branchenübung langfristig an die Verwendung von Farben als Kennzeichnungsmittel gewöhnt ist (vgl. BPatG, Beschl. v. 26. Januar 2005, Az. 32 W (pat) 353/03 – Farbmarke gelb; BPatG, Beschl. v. 10. Juni 2010, Az. 30 W (pat) 78/09 – Transparent grün; BPatG, Beschl. v. 23. Juni 2022, Az. 30 W (pat) 517/20 – Farbkombination orange hellgrau), wobei diese Voraussetzungen nicht notwendigerweise kumulativ vorliegen müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Juli 2015, Az. I ZB 65/13 – Nivea-Blau).
Als Beispiele für hinreichend spezifische Märkte wurden in der deutschen Rechtsprechung unter anderem die folgenden Märkte benannt:
- Markt für Spülmaschinen (vgl. BPatG, Beschl. v. 14. Oktober 2005, Az. 29 W (pat) 68/03 – zweifarbige Kombination Dunkelblau/Hellblau);
- Markt für zweisprachige Wörterbücher (vgl. BPatG, Beschl. v. 5. August 2013, Az. 29 W (pat) 90/12 – Farbmarke gelb);
- Tankstellenmarkt (vgl. BPatG, Beschl. v. 16. Mai 2012, Az. 28 W (pat) 11/11 – Farbe Blau);
- Markt für Haushaltsstromkabel (BPatG, Beschl. v. 23. Juni 2022, Az. 30 W (pat) 517/20 – Farbkombination orange hellgrau).
Freilich sind – wie bei allen anderen Markenformen auch – solche Farben von der Eintragung ausgeschlossen, die nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreibend sind. Dies dürfte wohl im Hinblick auf die Farbe „Gelb“ etwa für Honigprodukte oder die Farbe „Lila“ für Lavendelprodukte gelten. Zudem dürfte auch klassischen Signalfarben regelmäßig die erforderliche Unterscheidungskraft fehlen, da der Verkehr diesen keinen Herkunfts- sondern lediglich einen (Warn-)Hinweis entnehmen wird (vgl. zum Beispiel für „Rot“: BPatG, Beschl. v. 8. Juli 2015, Az. 25 W (pat) 13/14 – Sparkassen-Rot II; BPatG, Beschl. v. 23. Oktober 2014, Az. 30 W (pat) 505/14 – Farbe RAL 3020 (rot)).
Angesichts des äußerst engen Rahmens für die Annahme der Eintragungsfähigkeit einer abstrakten Farbmarke aufgrund von originärer Unterscheidungskraft, kommt gerade bei Farbmarken einer Eintragung kraft Verkehrsdurchsetzung eine besondere Rolle zu (§ 8 Abs. 3 MarkenG).
Dabei ist die Frage, ob eine Marke sich infolge ihrer Benutzung in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat, auf Grund einer Gesamtschau der Gesichtspunkte zu beurteilen, die zeigen können, dass die Marke die Eignung erlangt hat, die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen damit von den Waren oder Dienstleistungen anderen Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH, Urt. v. 4. Mai 1999, Az. C-108/97 und C-109/97 – Chiemsee; BGH, Beschl. v. 19. Januar 2006, Az. I ZB 11/04 – LOTTO; BGH, Beschl. v. 22. September 2016, Az. I ZB 52/15 – Sparkassen-Rot).
Diese Gesichtspunkte können der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung, die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke sowie Erklärungen von Industrie-, Handelskammern und von anderen Berufsverbänden sein (vgl. EuGH, Urt. v. 4. Mai 1999, Az. C-108/97 und C-109/97 – Chiemsee; BGH, Beschl. v. 21. Februar 2008, Az. I ZB 24/05 – VISAGE; BGH, Beschl. v. 22. September 2016, Az. I ZB 52/15 – Sparkassen-Rot).
Die deutschen Gerichte gehen darüber hinaus noch immer davon aus, dass für den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung in der Regel auch die Vorlage eines demoskopischen Gutachtens erforderlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Oktober 2013, Az. I ZB 65/12 – test; BGH, Beschl. v. 22. September 2016, Az. I ZB 52/15 – Sparkassen-Rot) und setzen für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung üblicherweise – sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Beurteilung rechtfertigen – eine Durchsetzung von mindestens 50 % an (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Oktober 2013, Az. I ZB 65/12 – test; BGH, Beschl. v. 2. April 2009, Az. I ZB 94/06 – Kinder III; BGH, Beschl. v. 9. Juli 2009, Az. I ZB 88/07 – ROCHER-Kugel; LG Köln, Urt. v. 13. März 2019, Az. 84 O 238/18 – Trinkpacks).
Diese Anforderungen stellt die deutsche Rechtsprechung in gleichem Maße auch an Farbmarken (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Oktober 2014, Az. I ZB 61/13 – Langenscheidt Gelb; BGH, Beschl. v. 9. Juli 2015, Az. I ZB 65/13 – Nivea-Blau).
3. Unionsfarbmarken
Selbstverständlich kennt auch das Unionsrecht abstrakte Farbmarken, nämlich in Art. 4 UMV und Art. 3 der Marken-RL.
Da es sich beim Markenrecht um harmonisiertes Recht handelt, gelten die obigen Ausführungen zur Eintragungsfähigkeit von deutschen Farbmarken weitestgehend auch für Unionsfarbmarken, insbesondere was die zumeist fehlende originäre Unterscheidungskraft dieser Markenform betrifft. So kommt auch hier eine Eintragung infolge originärer Schutzfähigkeit nur bei außergewöhnlichen Umständen in Betracht, die etwa ein sehr spezifischer Markt und eine sehr beschränkte Anzahl von Waren und Dienstleistungen sein können (vgl. EuGH, Urt. v. 6. Mai 2003, Az. C-104/01 – Libertel; EuG, Beschl. v. 4. Mai 2023, Az. T-618/22 – Kombination aus Grün und Orange).
Unterschiede zur deutschen Spruchpraxis bestehen vor allem bei der Frage, wann sich Farbmarken beim Verkehr durchgesetzt haben. Denn anders als die deutsche Rechtsprechung vermeidet der EuGH, einen bestimmten Prozentsatz für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung zu fordern (vgl. EuGH, Urt. v. 4. Mai 1999, Az. C-108/97 und C-109/97 – Chiemsee). Es sei vielmehr ausreichend, wenn die Gesamtschau aller Nachweise ergibt, dass zumindest ein erheblicher Teil der maßgeblichen Verkehrskreise die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt (vgl. EuGH, Urt. v. 4. Mai 1999, Az. C-108/97 und C-109/97 – Chiemsee; EuG, Urt. v. 15. Dezember 2005, Az. T-262/04 – Briquet à pierre; EUIPO, Prüfungsrichtlinien zu Marken, Teil B, Abschnitt 4, Kapitel 14.7 – Beweismaß).
Dennoch dürfte der Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung in der Europäischen Union den Anmelder regelmäßig vor größere Schwierigkeiten stellen, als den Anmelder einer deutschen Marke. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine solche Verkehrsdurchsetzung für jeden Mitgliedstaat der Europäischen Union nachzuweisen (vgl. EuGH, Urt. v. 25. Juli 2018, Az. C-84/17 P, C-85/17 P und C-95/17 P – KitKat 4 Finger).
Ein solcher separater Nachweis für jeden einzelnen Mitgliedstaat sei nur dann nicht erforderlich, wenn die vorgelegten Beweismittel für mehrere Mitgliedstaaten gleichermaßen Aussagewert haben. Dies kann etwa der Fall sein, wenn im Hinblick auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen mehrere Mitgliedstaaten in einem Vertriebsnetz zusammengefasst und behandelt wurden, als ob sie einen einzigen und einheitlichen nationalen Markt darstellen würden (vgl. EuGH, Urt. v. 25. Juli 2018, Az. C-84/17 P, C-85/17 P und C-95/17 P – KitKat 4 Finger).
Dies mag den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung zwar für einzelne Gebiete etwas vereinfachen. Im Ergebnis bleibt es aber dabei, dass die Verkehrsdurchsetzung im gesamten Gebiet der Europäischen Union erlangt wurde.
4. Fazit für Ihr Unternehmen
Sofern Sie mit dem Gedanken spielen, eine abstrakte Farbmarke anzumelden, sei es eine deutsche oder eine Unionsmarke, sollten Sie deshalb folgende Punkte nicht außer Acht lassen:
- Haben Sie das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis so eng wie möglich gefasst?
- Handelt es sich bei dem Markt, auf dem Sie die Marke benutzen wollen, um einen hinreichend spezifischen Markt?
- Ist die Benutzung von Farben zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen auf diesem Markt unüblich oder ist jedenfalls die von Ihnen gewählte Farbe oder Farbkombinationen auf diesem Markt unüblich?
- Ist der Verkehr möglicherweise auf diesem Markt daran gewöhnt, dass Farben zu Kennzeichnungszwecken benutzt werden?
- Ist Ihre Marke nicht beschreibend für die Waren oder Dienstleistungen, für die Schutz gesucht wird?
- Können Sie sich ggfs. darauf berufen, dass Ihre Marke sich infolge ihrer Benutzung bereits bei den relevanten Verkehrskreisen durchgesetzt hat?
Selbstverständlich stehen wir Ihnen bei all diesen Fragen gern zur Seite. Sprechen Sie uns an.
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