Etikettenschwindel: Die rechtlichen Risiken irreführender Unternehmenskennzeichen
1. Befugte Benutzung als ungeschriebene Schutzvoraussetzung
Unternehmenskennzeichen sind gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden. Als einzige Schutzvoraussetzung wird hier die Benutzung im geschäftlichen Verkehr genannt. Mittelbar lässt sich der Vorschrift auch noch entnehmen, dass nur solche Zeichen mit Benutzungsaufnahme geschützt werden, die angeben, wie das Unternehmen bzw. sein Inhaber heißt, und die somit „Namensfunktion“ haben (vgl. Goldmann, Unternehmenskennzeichen, 5. Aufl. 2023, § 2 Rn. 21 ff. mit einer Fülle weiterer Nachweise). Sonstige Zeichen haben keine Namensfunktion und benötigen gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG für ihren Schutz über die Benutzung hinaus auch Verkehrsgeltung.
Der Wortlaut der Norm ist unvollkommen und vor allem unvollständig. Nicht einmal die zentrale Schutzvoraussetzung für Unternehmenskennzeichen mit Namensfunktion, nämlich die namensmäßige Unterscheidungskraft (vgl. hierzu nur BGH GRUR 2008, 1102, 1103 Tz. 9 f. – Haus & Grund I), findet im Wortlaut der Norm Erwähnung.
Eine weitere ungeschriebene Schutzvoraussetzung ist, dass das Unternehmenskennzeichen befugt benutzt wird (BGH GRUR 2002, 706, 707 – vossius.de; BGH GRUR 2010, 156, 157 Tz. 23 – EIFEL-ZEITUNG; OLG Frankfurt, Urt. v. 29. Juni 2017, Az. 6 U 231/16 – Lullababy; LG Hamburg, Urt. v. 8. Oktober 2015, Az. 327 O 477/14 – poppen.de). Das Erfordernis einer befugten Benutzung entspricht dem gesetzgeberischen Konzept eines Kennzeichenschutzes im Einklang mit der Gesamtrechtsordnung, wie es für die eingetragene Marke in § 8 Abs. 2 Nr. 5–13 MarkenG zum Ausdruck kommt.
Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatumstände, aus denen sich die befugte Benutzung ergibt, liegt nach den allgemeinen Regeln beim Inhaber des Unternehmenskennzeichens. Das wird vielfach ebenso übersehen wie die ungeschriebene Schutzvoraussetzung selbst.
2. Irreführende Unternehmenskennzeichen werden nicht befugt benutzt
Unbefugt benutzt werden insbesondere irreführende Unternehmenskennzeichen. Seit jeher hat man Unternehmenskennzeichen, die über geschäftliche Verhältnisse irreführen, die Schutzfähigkeit abgesprochen (vgl. RG MuW XXX, 316, 317 – Einkaufskommission für Beamte, Angestellte und Arbeiter der Stadt Berlin GmbH; BGH GRUR 1960, 434, 435 – Volks-Feuerbestattung), weil der Schutz des Unternehmenskennzeichens unter einem Lauterkeitsvorbehalt steht (vgl. BGH GRUR 1954, 271, 273 – DUN-Europa). Daran wird zu Recht bis heute festgehalten. Unternehmenskennzeichen, deren konkrete Art der Benutzung im geschäftlichen Verkehr irreführend ist, verstoßen gegen § 5 UWG. Dieser Gesetzesverstoß macht die Benutzung unbefugt (vgl. OLG München, Urt. v. 8. Oktober 2009, Az. 29 U 3082/09 – Gufic; OLG Frankfurt, Urt. v. 29. Juni 2017, Az. 6 U 231/16 – Lullababy). Und aus einer solchen unbefugten Benutzung kann kein Schutz erwachsen.
3. Wann sind Unternehmenskennzeichen irreführend?
a) Irreführung über geschäftliche Verhältnisse
Die Benutzung eines seinem Aussagegehalt nach irreführenden Unternehmenskennzeichens kann eine irreführende geschäftliche Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 und 2 UWG sein. Grundsätzlich kommt jede Art von Irreführung über die geschäftlichen Verhältnisse des Unternehmensinhabers in Betracht, insbesondere betreffend Rechtsform, Größe, Ausrichtung, Struktur des Unternehmens oder die Qualifikation des Unternehmers, um dessen Kennzeichen es geht (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG). Ebenso ist denkbar, dass dem Unternehmenskennzeichen Merkmale der angebotenen Waren oder Dienstleistungen zu entnehmen sind, die mit der Realität nicht im Einklang stehen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG). Eine präzise Abgrenzung zwischen beiden Tatbestandsalternativen kann zuweilen schwierig sein, ist aber auch nicht erforderlich (näher zu anerkannten Fallgruppen unter 4.).
Die ungeschriebene Schutzvoraussetzung der befugten Benutzung wird damit in Bezug auf die Irreführung grundlegend anders gehandhabt als das Schutzhindernis des irreführenden Markeninhalts nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG. Denn schutzunfähig ist eine Marke nach dieser Bestimmung nur dann, wenn sich keine einzige Art der Verwendung denken lässt, die nicht irreführend wäre. Bei der Beurteilung, ob ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG besteht, geht es allein um die Täuschung durch den Zeicheninhalt selbst und nicht um die Prüfung, ob das Zeichen bei einer besonderen Art der Verwendung im Geschäftsverkehr geeignet sein kann, irreführende Vorstellungen über das Unternehmen zu wecken, für dessen Waren oder Dienstleistungen die Marke benutzt wird (BGH GRUR 2002, 540, 541 – OMEPRAZOK; BGH GRUR 2012, 272, 275 Tz. 26 – Rheinpark-Center Neuss; BGH GRUR 2014, 376, 378 Tz. 23 – grill meister; BGH GRUR 2017, 186, 189 Tz. 21 – Stadtwerke Bremen). Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG erfasst demgegenüber nicht die Täuschung über geschäftliche Verhältnisse des Unternehmens des Markeninhabers (BGH GRUR 2017, 186, 189 Tz. 23 – Stadtwerke Bremen).
Beim Schutz eines Unternehmenskennzeichens kommt es dagegen immer darauf an, ob gerade die konkrete Art der Benutzung, die als schutzbegründend in Anspruch genommen wird, irreführend ist. Unternehmenskennzeichen verdanken ihren Schutz nicht einer abstrakten Registrierung, sondern einer konkreten Benutzung im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit einem bestimmten lebenden Unternehmen (vgl. BGH GRUR 2005, 871, 872 – Seicom; BGH GRUR 2013, 1150, 1152 Tz. 29 – Baumann I). Steht der Aussagegehalt des Zeichens nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen dieses Unternehmens in Einklang, ist seine Benutzung irreführend und unbefugt.
b) Maßgeblicher Zeitpunkt
Entscheidend ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. Ein Unternehmenskennzeichen, das bei Benutzungsaufnahme mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen im Einklang stand, wird zu dem Zeitpunkt irreführend, in dem es sich mit der Realität nicht mehr deckt (vgl. BGH GRUR 1954, 271, 273 – DUN-Europa; BGH, Beschl. v. 12. Dezember 1975, Az. I ZR 48/74 – Volkshochschule; BGH GRUR 2003, 448, 449 – Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft; BGH GRUR 2007, 1079, 1081 Tz. 24 – Bundesdruckerei).
Dann wird das Kennzeichen nicht mehr befugt benutzt und verliert seinen Schutz. Das ist folgerichtig und steht nicht in Widerspruch zu berechtigten Interessen des Kennzeicheninhabers an der Fortführung seines Zeichens. Denn aus dem Gesichtspunkt eines Bestandsschutzes könnte dem Zeicheninhaber nach einer umfassenden Interessenabwägung allenfalls gestattet werden, das irreführende Zeichen überhaupt weiter zu benutzen oder ggf. eine irreführende Firma entgegen dem Grundanliegen des § 18 Abs. 2 HGB, dem Verbot irreführender Firmen, im Register zu belassen (vgl. BGH GRUR 2003, 628, 630 f. – Klosterbrauerei). Dass die Rechtsordnung für ein irreführendes Zeichen darüber hinaus auch noch einen materiellen Kennzeichenschutz zur Verfügung stellt, kann er aber nicht erwarten.
b) Geschäftliche Relevanz
Die durch die Benutzung des Unternehmenskennzeichens hervorgerufene Irreführung muss als unlautere geschäftliche Handlung gemäß § 5 Abs. 1 UWG auch geschäftlich relevant sein, wenn sie zur Schutzversagung führen soll. Die hervorgerufenen Fehlvorstellungen müssen also eine Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung der vom Unternehmenskennzeichen angesprochenen Verbraucher bzw. sonstiger Marktteilnehmer haben und sie in relevanter Weise beeinflussen können. In der Regel kann aus dem Hervorrufen einer Fehlvorstellung auf die geschäftliche Relevanz der Irreführung geschlossen werden. Anders verhält es sich jedoch dann, wenn über Umstände getäuscht worden ist, die für das Marktverhalten der Gegenseite lediglich eine unwesentliche Bedeutung haben (vgl. BGH GRUR 2007, 1079, 1081 Tz. 26 – Bundesdruckerei; BGH GRUR 2012, 1273, 1274 Tz. 25 – Stadtwerke Wolfsburg; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2019, 301, 304 Tz. 52 – Anstalt).
Eine Irreführung ist jedenfalls dann geschäftlich relevant, wenn die Fehlvorstellung des angesprochenen Verkehrs für den Kaufentschluss irgendwie – im Sinne einer allgemeinen Wertschätzung – von Bedeutung ist, ohne dass es auf besondere Qualitätserwartungen ankommt (vgl. BGH GRUR 1977, 159, 161 – Ostfriesische Teegesellschaft; BGH GRUR 1982, 564, 566 – Elsässer Nudeln; BGH GRUR 2016, 406, 408 Tz. 22 – Piadina-Rückruf).
Das LG München I hat eine geschäftlich relevante Irreführung in einem Fall verneint, in dem ein unter der Bezeichnung „Villa Westfalia“ betriebenes Kosmetik- und Wellnessinstitut nicht in einer Villa, sondern in einer luxuriös eingerichteten Hochhausetage angesiedelt war. Für die Qualität der dort angebotenen Dienstleistungen und deren Wertschätzung sei es nicht maßgeblich, in welcher Art von Gebäude sie erbracht werden (LG München I, Urt. v. 29. April 2014, Az. 33 O 7468/13 – Villa Westfalia). Das ist sicherlich ein Grenzfall, den man auch anders hätte entscheiden können.
4. Auswahl beispielhafter Fallgruppen
a) Irreführung über die Rechtsform
Unternehmenskennzeichen, die eine andere als die tatsächliche Rechtsform des Unternehmensinhabers nahelegen, können eine geschäftlich relevante Irreführung begründen. So ist eine Zusammenstellung von Buchstaben oder Silben, die mit den Buchstaben „AG“ endet (z.B. „INDROHAG“) als Firmenkern einer GmbH als irreführend beurteilt worden, weil die Endung den Schluss auf eine Rechtsform als Aktiengesellschaft nahelege (vgl. BGH, Beschl. v. 25. Oktober 1956, Az. II ZB 18/56 – INDROHAG (zu § 18 Abs. 2 HGB a.F.)). Diese Rechtsprechung muss heute kritisch hinterfragt werden. Zwar hat die Rechtsform Einfluss auf die Haftungssituation. Gegenüber Unternehmern wird es aber in der Regel an einer Irreführung fehlen, weil diese regelmäßig nicht nur den Firmenkern (zum Begriff Goldmann, aaO., § 3 Rn. 65), sondern auch die Firmenzusätze zur Kenntnis nehmen, aus denen die Rechtsform und Haftungssituation klar hervorgeht. Hinzu kommt, dass Unternehmer in der Praxis vor risikobehafteten Geschäftsabschlüssen grundsätzlich Einsicht ins Handelsregister oder in private Wirtschaftsdateien nehmen, so dass es für die Risiko- und Bonitätseinschätzung ohnehin nicht entscheidend auf die Angaben in der Firma ankommt (LG Düsseldorf DB 1991, 1510). Für Verbraucher wiederum ist die Fehlvorstellung, es mit einer AG statt etwa mit einer GmbH zu tun zu haben, wohl nur in den seltensten Fällen relevant.
Eine Relevanz der Irreführung ist aber mit Blick auf Verbraucher dann zu bejahen, wenn es für ihre geschäftliche Entscheidung gerade auf die gesteigerte Seriosität oder das größere Stammkapital ankommen kann.
Nutzt beispielsweise ein Veranstalter von Glücksspielen mit Geldeinsatz, der nicht als Aktiengesellschaft organisiert ist, die Domain „tipp.ag“, wird der Verbraucher durch die benutzte Top-level-Domain über die Rechtsform als Aktiengesellschaft in die Irre geführt. Der vermeintliche Gesellschaftszusatz einer Aktiengesellschaft ruft bei der Veranstaltung solcher Glücksspiele eine konkrete Vorstellung von gesteigerter Seriosität hervor, die in einer Vielzahl von Fällen den Ausschlag dafür geben kann, die Homepage dieses Veranstalters aufzusuchen (OLG Hamburg, Urt. v. 16. Juni 2004, Az. 5 U 162/03 – tipp.ag).
b) Irreführung über öffentlich-rechtlichen Charakter
Ein Unternehmenskennzeichen ist irreführend, wenn es auf einen öffentlich-rechtlichen, amtlichen oder halbamtlichen Charakter des Unternehmens oder zumindest auf eine Beherrschung durch die öffentliche Hand schließen lässt, es aber tatsächlich privatrechtlich organisiert und mehrheitlich in privater Hand ist (BGH GRUR 1980, 794, 796 f. – Bundeszentrale für Fälschungsbekämpfung; BGH GRUR 2007, 1079, 1081 Tz. 28 ff. – Bundesdruckerei; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2019, 301, 302 Tz. 36 – Anstalt). Denn solche Unternehmenskennzeichen rufen bei den angesprochenen Verkehrskreisen durchaus positive Qualitätsvorstellungen hervor. Dies betrifft vor allem die Erwartung, dass – unabhängig von der konkreten Rechtsform – kein echtes Insolvenzrisiko besteht, weil hinter dem Unternehmen „der Staat“ steht (vgl. BGH GRUR 2012, 1273, 1274 Tz. 26 – Stadtwerke Wolfsburg; OLG Bremen, Urt. v. 9. April 2010, Az. 2 U 7/10). Auch hierzu einige Beispiele:
Die Bezeichnung „Bundesdruckerei“ ist irreführend, wenn dieses Unternehmen sich nicht mehrheitlich in der Hand des Bundes befindet (BGH GRUR 2007, 1079, 1081 Tz. 28 ff. – Bundesdruckerei).
Die Bezeichnung „Kammer“ steht für eine öffentlich-rechtliche Körperschaft und darf für ein privatwirtschaftliches Unternehmen nicht verwendet werden (OLG Hamm WRP 1991, 497 – European Chamber of Commerce Society).
Die Bezeichnung „Volkshochschule Kreis Köln e.V.“ wird irreführend, wenn der Kreis bzw. die kreisangehörigen Gemeinden aus dem Trägerverein ausscheiden (BGH, Beschl. v. 12. Dezember 1975, Az. I ZR 48/74 – Volkshochschule).
c) Irreführung über Größe, Bedeutung oder Herstellereigenschaft des Unternehmens
Ein Unternehmenskennzeichen darf keinen falschen Vorstellungen über Umfang, Bedeutung und Wesen des Unternehmens Vorschub leisten. Dies gilt zum einen für Angaben über die Betriebsgröße (z.B. Zusatz „Industrie“, „Fabrik“, „Werk“ oder „Werke“ bei einem kleineren Fertigungsbetrieb oder einem reinen Handelsbetrieb ohne eigene Herstellung), die der Verkehr ernsthaft als solche verstehen kann.
Das als besondere Geschäftsbezeichnung benutzte Zeichen „Matratzen Factory Outlet“ beispielsweise wird im Sinne eines Fabrikverkaufs verstanden, in dem aus der Produktion des Anbieters stammende Waren erwartet werden, die unter Ausschaltung des Groß- und Zwischenhandels besonders preiswert erhältlich sind (BGH GRUR 2013, 1254, 1257 Tz. 28 ff. – Matratzen Factory Outlet).
Eine Irreführung scheidet aber aus bei Zeichen, in denen Begriffe wie „Werk“ oder „Fabrik“ mit einem Gattungsbegriff kombiniert als originelle Bezeichnung für ein Handwerks- oder Dienstleistungsunternehmen verwendet und nicht im eigentlichen Wortsinn verstanden werden (z.B. „Gastwerk“ für ein Hotel oder „Lichtwerk“ für ein Unternehmen, das auf die Installation von Leuchten spezialisiert ist; „Haarfabrik“ für einen Friseursalon).
Eine Rolle kann die Irreführung über die Herstellereigenschaft bei der Firma von Holdinggesellschaften haben, die selbst keine Industrieproduktion betreiben, aber dennoch Begriffe wie „Fabrik“, „Industrie“ oder „Industries“ in ihrer Firma aufweisen. Es ist nämlich anerkannt, dass mit dem Begriff „Industrie“ – und dasselbe hat für die englische Mehrzahl „Industries“ zu gelten – das Publikum die Vorstellung von der Inhaberschaft eines Betriebs der industriellen Herstellung, Bearbeitung und Verarbeitung verbindet. Eine Gesellschaft, die einen solchen Firmenzusatz führt, muss einen eigenen Betrieb der industriellen Herstellung, Bearbeitung oder Verarbeitung selbst unterhalten und führen, wobei es sich um einen industriellen Großbetrieb handeln muss (allg. Ansicht, vgl. nur MüKoHGB/Heidinger, 5. Aufl. 2021, § 18 Rn. 142 ff.). Das wird bei Holdinggesellschaften aber in aller Regel nicht der Fall sein. Diese sind nämlich operativ nicht als Industrieproduzent tätig, sondern halten nur Beteiligungen an Gesellschaften, denen ihrerseits industrielle Fertigungsbetriebe gehören.
d) Irreführung über Gegenstand und Leistungsangebot des Unternehmens
Über den Gegenstand und das Leistungsangebot des Unternehmens darf ebenfalls nicht irregeführt werden. Auch hierzu einige Beispiele:
Die Firmierung eines Steuerberatungsunternehmens als „JUS-Steuerberatungsgesellschaft mbH“ lässt Schlüsse auf eine allgemeine oder besonders qualifizierte rechtswissenschaftliche Ausrichtung des Unternehmens zu oder auf eine Spezialisierung der Steuerberatung auf Angehörige juristischer Berufe; sind diese Schlüsse objektiv unrichtig, so ist die Firmierung irreführend (BGH GRUR 1985, 930 f. – JUS-Steuerberatungsgesellschaft).
Wer sein Lokal oder Bierzelt „Bayern-Festhalle“ nennt, aber kein Bier aus Bayern ausschenkt, führt die Verbraucher in die Irre (OLG Köln NJWE-WettbR 1997, 282 – Bayerischer Biergarten).
Bei der Bezeichnung „Parkhotel“ erwartet der Verkehr, dass für die Umgebung des Hotels Flächen mitprägend sind, die einen parkähnlichen Charakter aufweisen, eine gewisse Ruhe und Naturnähe ausstrahlen und sich so von einem städtisch-betriebsamem Umfeld absetzen. Fehlt es daran, liegt eine relevante Irreführung vor (OLG Karlsruhe NJOZ 2013, 13, 14 – Parkhotel).
Bei der Bezeichnung „Hotel am Stadtpark“ erwartet der Verkehr eine räumliche Nähe zum Stadtpark, nicht aber eine ruhige Lage (OLG Nürnberg WRP 1996, 242, 245 – Hotel „Am Stadtpark“).
e) Irreführung über handwerklichen Charakter der Produktion
Anerkannt ist insbesondere, dass Angaben über die Herstellungsart, die den Verbraucher fälschlich auf eine handwerkliche, nichtindustrielle, manufakturmäßige, traditionelle oder bäuerliche Herstellungsart hinweisen, irreführend sind (BGH GRUR 1961, 425, 428 f. – Möbelhaus des Handwerks; OLG Stuttgart LMMR 1975, 13 – Eiskonditor; OLG Bremen WRP 1979, 464 – Backstube; OLG Köln NJW 1985, 1911 – frische Farm-Eier; KG GRUR 1995, 133, 135 – Hohe handwerkliche Qualität; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29. Juni 2021, Az. 6 U 46/20 – Manufaktur).
Deshalb sind Unternehmenskennzeichen, die entgegen der Realität eine solche Angabe transportieren, irreführend. Eine derartige Fehlvorstellung ist auch wettbewerblich relevant, weil sie für die Kaufentscheidung des Publikums erheblich ist, da handwerkliche Arbeit, die sich von industrieller Massenfertigung abhebt, vom Publikum besonders geschätzt wird (OLG Stuttgart LMMR 1975, 13 – Eiskonditor; LG Frankfurt, Urt. v. 20. Februar 2020, Az. 2-3 O 109/19 – Berliner Blechschild Manufaktur 1904).
f) Irreführung über die Tradition
Auch die Werbung mit der Tradition und dem Alter des Unternehmens erweckt bei den angesprochenen Verkehrskreisen positive Assoziationen. Dem Unternehmen werden vom Verkehr besondere Erfahrungen auf dem betreffenden Gebiet, wirtschaftliche Leistungskraft, Zuverlässigkeit und Solidität sowie langjährige Wertschätzung innerhalb des Kundenkreises zugesprochen (OLG München GRUR-RR 2014, 300, 301 – Degussa; LG Düsseldorf, Urt. v. 3. April 2019, Az. 2a O 23/19 – Kiesgrube I).
Damit enthält Alters- und Traditionswerbung unterschwellige Qualitätssignale, die geeignet sind, die Kaufentscheidungen der Verbraucher zu beeinflussen. Wer sein Unternehmen durch ein Unternehmenskennzeichen älter macht, als es in Wirklichkeit ist, ruft also in aller Regel eine wettbewerblich relevante Irreführung hervor (BGH GRUR 2003, 628, 629 – Klosterbrauerei; OLG Frankfurt GRUR-RR 2001, 67 – Eschweger Klosterbräu; OLG München GRUR-RR 2014, 300, 301 – Degussa).
So deutet die Bezeichnung „Porzellan-Manufaktur Selb“ auf eine Herstellungsstätte mit längerer, geschichtlich bedeutsamer Tradition hin, die hochwertiges Porzellan mit handbemalten Dekors hervorbringt, und ist irreführend, wenn dies tatsächlich nicht so ist (KG GRUR 1976, 640, 642 – Porzellan-Manufaktur).
Nicht irreführend ist demgegenüber die Bezeichnung „Squash-Center Nr. 1“, wenn es sich bei den betriebenen Unternehmen tatsächlich um die am Ort erste und älteste Squash-Anlage handelt (OLG Saarbrücken NJWE-WettbR 1996, 179 – Squash-Center Nr. 1).
g) Irreführung mit Doktortiteln
Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine für die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen oder für einen Kaufentschluss erhebliche Täuschung über die Verhältnisse des Unternehmens vorliegen, wenn nicht unerhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs einem im Unternehmenskennzeichen enthaltenen Doktortitel entnehmen, das ein promovierter Akademiker Geschäftsinhaber oder ein die Gesellschaftsbelange maßgeblich mitbestimmender Gesellschafter sei oder gewesen sei, und daraus herleiten, das besondere wissenschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten des Genannten auf dem Fachgebiet des in Frage stehenden Geschäftsbetriebs die Güte der angebotenen Waren oder Dienstleistungen mitbestimmten (BGH GRUR 2021, 746, 748 f. Tz. 24 – Dr. Z). Die Führung des Doktortitels in der Unternehmensbezeichnung setzt daher grundsätzlich voraus, dass der Geschäftsinhaber bzw. Gesellschafter zur Führung berechtigt ist. Ist dies nicht der Fall, wird der Verkehr in der Regel in geschäftlich relevanter Weise irregeführt (BGH GRUR 1992, 121, 122 – Dr. Stein … GmbH; OLG München GRUR-RR 2006, 89, 90 – DSI; OLG Stuttgart GRUR-RR 2014, 454, 455 f. – akademischer Ehrengrad).
Irreführend kann die Führung eines Doktortitels auch dann sein, wenn der Unternehmensinhaber tatsächlich promoviert ist. Besonders relevant ist ein Irrtum, wenn auf Grund des Doktortitels mit Rücksicht auf die Art des Geschäftsbetriebes erwartet wird, (einer) der Firmeninhaber sei von einer bestimmten Fakultät promoviert worden und besitze aus diesem Grund besondere Spezialkenntnisse und -fähigkeiten auf dem Fachgebiet seines Unternehmens (BGH GRUR 1990, 604, 605 – Dr. S.-Arzneimittel). Wurde die Promotion auf einem anderen Fachgebiet als dem der beruflichen Betätigung erworben, muß daher zur Vermeidung einer Irreführung im Verkehr regelmäßig zusätzlich die Fakultät angegeben werden (BGH GRUR 2021, 746, 750 Tz. 31 – Dr. Z). Hierzu zwei Beispiele:
Führt der Inhaber eines Radio- und Fernsehgeschäfts seinen Doktortitel der Medizin ohne Angabe der Fakultät in der Firma, so liegt keine relevante Irreführung vor (BGH GRUR 1959, 375, 376 – Doktortitel).
Der in die Firmierung einer Heilpraktikerschule aufgenommene Doktortitel ihres Inhabers („Heilpraktikerschule Dr. A.“) ist demgegenüber irreführend und ruft eine geschäftlich relevante Fehlvorstellung hervor, wenn der Doktortitel nicht auf dem Gebiet der Medizin, sondern in Chemie erworben wurde (OLG Frankfurt NJOZ 2013, 1050 – „Heilpraktikerschule Dr. …“.).
Allerdings ist die Verwendung eines tatsächlich nicht vorhandenen Doktorgrades im Unternehmenskennzeichen nur dann irreführend, wenn der Verkehr ihn ernstnimmt und tatsächlich auf einen akademischen Hintergrund des Unternehmensinhabers vertraut.
Dies ist nicht der Fall bei Phantasiebezeichnungen wie „Dr. Kebap“ für eine Dönerbude, „Lackdoktor« für einen Autolackierer (OLG Jena GRUR-RR 2005, 354 – Lackdoktor), „Doktor Autoglas“ für einen Autoglaser (vgl. BPatG, Beschl. v. 17. Mai 2011, Az. 33 W (pat) 5/10 – Doktor Autoglas), oder „doctor bike“ für eine Fahrradwerkstatt (vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 7. September 2011, Az. 2a O 122/11 – Bicycle Doctor/doctor bike).
Demgegenüber wird die Phantasiebezeichnung „Dr. Z“ im Zusammenhang mit dem Betrieb eines zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums von erheblichen Teilen der Verbraucher als Kürzel für einen promovierten Unternehmensinhaber verstanden (BGH GRUR 2021, 746, 751 Tz. 46 – Dr. Z).
5. Besonderheiten bei Firmen
a) Grundsätzliches zum Firmenrecht des HGB
Die Firma ist gemäß § 17 Abs. 1 HGB der Handelsname des Kaufmanns. Sie ist besonderen Regelungen unterworfen. Diese ergeben sich aus dem Firmenrecht des HGB und gelten zusätzlich zu den allgemeinen Regeln, die für alle Unternehmenskennzeichen anwendbar sind. Das formelle Firmenrecht des HGB stellt in §§ 17 ff. HGB einige wenige Grundanforderungen, um ein Mindestmaß an Praktikabilität, Transparenz und Verkehrsschutz zu gewährleisten. Eine Firma muss Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft besitzen. Darüber hinaus darf sie im Interesse des Wirtschaftsverkehrs nicht irreführend sein und unterliegt den Grundsätzen der Firmenbeständigkeit, Firmeneinheit, Firmenausschließlichkeit und Firmenöffentlichkeit. Nur Kaufleute i.S.d. §§ 1 ff. HGB können eine Firma führen und für sie einen materiellen Schutz als Unternehmenskennzeichen gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 MarkenG erlangen. Der Kaufmann muss durch einen Zusatz deutlich machen, welche Rechtsform er hat.
Der Gesetzgeber wollte den materiellen Schutz als Unternehmenskennzeichen nur solchen Firmen zubilligen, „welche den geltenden Vorschriften gemäß“ gebildet wurden (Motive zum dritten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes zu § 8, einer Vorgängerbestimmung der §§ 5, 15 MarkenG (abgedruckt bei Bachem/Roeren, Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes vom 1. Juli 1896, 3. Aufl. 1900, S. 20, 36)).
Eine entgegen §§ 17 ff. HGB gebildete Firma kann demnach als Firma i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 MarkenG keinen materiellen Schutz beanspruchen, weil sie nicht befugt geführt wird (BGH GRUR 1998, 391, 392 f. – Dr. St. … Nachf.; OLG München GRUR-RR 2006, 89, 90 – DSI; Goldmann, Unternehmenskennzeichen, 5. Aufl. 2023, § 7 Rn. 27 m.w.N.).
Dies gilt auch für einen Firmenkern, für den bei befugter Firmenführung ein Schutz als schlagwortartiger Firmenbestandteil in Betracht käme. Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich für einen Teil einer Firma der vom Schutz der vollständigen Firma abgeleitete Schutz als Unternehmenskennzeichen i.S.d. § 5 Abs. 2 MarkenG beansprucht werden, sofern es sich um einen unterscheidungskräftigen Firmenbestandteil handelt, der seiner Art nach im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf den Unternehmensinhaber durchzusetzen. Ist dies zu bejahen, kommt es nicht mehr darauf an, ob die fragliche Kurzbezeichnung tatsächlich als Schlagwort in Alleinstellung verwendet wird und ob sie sich im Verkehr durchgesetzt hat. Der Schutz eines in einer Firma enthaltenen Bestandteils als schlagwortartiger Firmenbestandteil gemäß § 5 Abs. 2 MarkenG setzt neben der Unterscheidungskraft voraus, dass er nach der Verkehrsauffassung seiner Natur nach geeignet ist, wie ein Name des Unternehmensinhabers zu wirken (vgl. BGH GRUR 2018, 935, 937 Tz. 28 – goFit m.w.N.; Goldmann, Unternehmenskennzeichen, 5. Aufl. 2023, § 3 Rn. 79). Dieser Schutz ist von ganz erheblicher praktischer Bedeutung.
Weil er vom Schutz der Firma abgeleitet ist, ist er aber gegenüber dem Schutz der Firma in ihrer eingetragenen Gesamtgestalt akzessorisch (OLG München GRUR-RR 2006, 89, 91 – DSI; Goldmann, aaO., § 3 Rn. 96; vgl. auch BGH, Urt. v. 24. Oktober 1958, Az. I ZR 102/57 – Alfa; BGH GRUR 2011, 831, 833 Tz. 16 – BCC; BGH GRUR 2013, 638, 641 Tz. 24 – Völkl).
Mit anderen Worten: Wenn die Firma nach den §§ 17 ff. HGB nicht befugt geführt wird, kann keiner ihrer Bestandteile gemäß §§ 15 Abs. 1; 5 Abs. 2 MarkenG einen Schutz als schlagwortartiger Firmenbestandteil erhalten. Das gilt unabhängig davon, ob der schlagwortartiger Firmenbestandteil selbst gegen eine gesetzliche Bestimmung des formellen Firmenrechts des HGB verstößt oder irgendein anderer Bestandteil der Firma.
b) Zum Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB
Gemäß § 18 Abs. 2 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Angaben von nur geringer geschäftlicher Relevanz oder von nebensächlicher wirtschaftlicher Bedeutung werden von § 18 Abs. 2 HGB nicht erfasst (vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 13/8444, S. 38; OLG Stuttgart NJOZ 2004, 1013, 1015 f. – Sparkasse Bodensee; OLG Rostock NJW-RR 2006, 784, 785 – J & Partner Rechtsanwälte; OLG Stuttgart NZG 2012, 551, 552 – Solar; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28. Oktober 2014, Az. 20 W 411/12 – Sehzentrum).
Das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB betrifft die gesamte Firma, also sowohl den Firmenkern als auch die Firmenzusätze. Eine Firma ist in ihrer eingetragenen Gestalt insgesamt irreführend, wenn irgendeiner ihre Bestandteile irreführend ist. Das Irreführungsverbot gilt bei der Neubildung von Firmen ebenso wie bei ihrer nachträglichen Veränderung.
§ 18 Abs. 2 HGB verfolgt denselben Zweck wie das allgemeine Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 und 2 UWG und ist grundsätzlich im Einklang mit diesem auszulegen. Der Maßstab des § 18 Abs. 2 HGB ist mit dem des allgemeinen Irreführungsverbots nach § 5 Abs. 1 und 2 UWG allerdings nicht identisch. Die (potentielle) Divergenz folgt aus den sich überschneidenden, aber nicht vollständig deckungsgleichen Schutzzwecken, die dem firmenrechtlichen und dem wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbot zugrunde liegen. Auch wenn im Regelfall anzunehmen ist, dass die materiellen Beurteilungsmaßstäbe in HGB und UWG im Einklang stehen, muss eine relevante Irreführung im einen Bereich nicht notwendig auch im anderen Bereich von Belang sein (BGH GRUR 2021, 746, 749 Tz. 25 – Dr. Z).
Firmen, die nicht gegen § 18 Abs. 2 HGB verstoßen, können nach den Maßstäben der § 5 Abs. 1 und 2 UWG dennoch irreführend sein. Es kann so zu einer „Feinsteuerung“ durch das UWG kommen (Begr. RegE, BT-Drs. 13/8444, S. 38; BGH GRUR 2021, 746, 749 Tz. 25 – Dr. Z). Die Maßstäbe des vom Gesetzgeber als „Grobraster“ gedachten § 18 Abs. 2 HGB sind jedenfalls nicht strenger als die des allgemeinen Irreführungsverbots (vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 13/8444, S. 38).
c) „Löschungswiderklage“ gestützt auf § 37 Abs. 2 HGB
Wird ein Unternehmer von einem anderen aus dessen älterer Firma oder schlagwortartigen Firmenbestandteil in Anspruch genommen und ist die Firma in ihrer eingetragenen Gestalt irreführend gemäß § 18 Abs. 2 HGB und damit unbefugt geführt, ergibt sich die Möglichkeit einer Art „Löschungswiderklage“ gestützt auf § 37 Abs. 2 HGB.
Gemäß § 37 Abs. 1 HGB ist jeder, der eine gemäß §§ 17 ff. HGB ihm nicht zustehende Firma gebraucht, vom Registergericht zur Unterlassung des Gebrauchs der Firma durch Festsetzung von Ordnungsgeld anzuhalten. Darüber hinaus kann aber gemäß § 37 Abs. 2 HGB jeder, der „in seinen Rechten dadurch verletzt wird, daß ein anderer eine Firma unbefugt gebraucht, … von diesem die Unterlassung des Gebrauchs der Firma verlangen“ und diesen Anspruch vor Gericht einklagen. Trotz des Wortlauts ist eine Rechtsverletzung, etwa eines gewerblichen Schutzrechts, nicht unbedingt erforderlich. Ansprüche lassen sich auch auf die unmittelbare Verletzung rechtlich geschützter Interessen wirtschaftlicher Art stützen (BGH GRUR 1970, 320, 322 – Doktor-Firma; BGH NJW 1991, 2023 – Unzulässiger Gebrauch einer Geschäftsbezeichnung; OLG Köln, Urt. v. 12. August 1998, Az. 6 U 97/97 – marketing-displays GmbH).
Das Tatbestandsmerkmal der Rechts- bzw. Interessenverletzung ist weit auszulegen. Es soll lediglich einen allgemeinen Popularrechtsbehelf ausschließen und gewährleisten, dass nicht jedermann sich an die Stelle des Registergerichts setzen und eine Firmenuntersagung erreichen kann, sondern nur jemand, den es auch angeht, der also durch die Firma spürbar in seinen berechtigten wirtschaftlichen Interessen tangiert ist. Ein rechtlich geschütztes Interesse wirtschaftlicher Art ist regelmäßig dann tangiert, wenn Kläger und Beklagter Wettbewerber i.S.d. § 2 Nr. 4 UWG sind (siehe die vorstehend zitierten Entscheidungen).
Notwendig ist dies aber nicht. Auch außerhalb eines Wettbewerbsverhältnisses können rechtlich geschützte Interessen wirtschaftlicher Art verletzt sein. Eine Einschränkung der Klagebefugnis auf Wettbewerber ist nicht sachgerecht. Denn diese können sich bei einer Irreführung in aller Regel ohnehin auf Ansprüche aus UWG stützen (§§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 5 Abs. 1 UWG). Damit wäre § 37 Abs. 2 HGB weitgehend überflüssig.
Dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift wird man nur dann gerecht, wenn man es für genügend, aber auch für erforderlich hält, dass der Anspruchsteller darlegt und ggf. beweist, dass er unmittelbar in rechtlichen Interessen geschäftlicher Art verletzt ist (Goldmann, Unternehmenskennzeichen, 5. Aufl. 2023, § 16 Rn. 48 unter Bezugnahme auf BGH GRUR 1970, 320, 322 – Doktor-Firma). Hierzu genügt es, daß der Kläger seinerseits Unterlassungsansprüchen des Firmeninhabers ausgesetzt ist, die sich auf die Firma oder deren schlagwortartigen Bestandteil stützen (Goldmann, aaO.).
Mit dem Unterlassungsanspruch aus § 37 Abs. 2 HGB geht bei bereits eingetragenen Firmen ohne weiteres ein Beseitigungsanspruch gerichtet auf Einwilligung in die Löschung aus dem Handelsregister einher (RGZ 3, 120 f. – Prätorius; RGZ 22, 58 f. – A. B. Faber; RGZ 25, 1, 2 – Johann Faber; RGZ 37, 58, 59 – Seelig, Hille & Co.; BGH GRUR 1993, 576, 577 – Datatel; OLG Hamm NJW-RR 2005, 767, 768; OLG München NZG 2013, 1114, 1115 – BAVARIA Haus und Grund Immobilien-Treuhand GmbH).
Die Einlegung einer Klage aus § 37 Abs. 2 HGB als Widerklage in einem laufenden Verletzungsprozess, der vom Kläger auf seine Firma oder einen schlagwortartigen Firmenbestandteil gestützt wird, ist gemäß § 33 Abs. 1 ZPO wegen Konnexität unproblematisch zulässig.
Erfahrungsgemäß übt die Einlegung einer solchen „Löschungswiderklage“ einen ganz erheblichen Druck auf den Kläger aus. Er läuft nämlich nicht nur Gefahr, dass er vom Gericht für seine Firma bzw. seinen schlagwortartigen Firmenbestandteil keinen materiellen Kennzeichenschutz zugesprochen bekommt und seine Klage deshalb abgewiesen wird. Er wird dadurch dem zusätzlichen Risiko ausgesetzt, dass seine Firma gelöscht wird, was ganz erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Dieser Druck wird – wie der Autor aus seiner eigenen Prozesspraxis weiß – die Vergleichsbereitschaft des Klägers erhöhen.
6. Fazit für Ihr Unternehmen
Sofern Sie als mutmaßlicher Rechtsverletzer aus einem älteren Unternehmenskennzeichen in Anspruch genommen werden, sollten Sie die folgenden Punkte nicht außer Acht lassen:
- Überlegen Sie, ob das ältere Unternehmenskennzeichen in geschäftlich relevanter Weise irreführend sein könnte. Es sind weit mehr Fallgruppen denkbar als diejenigen, die in diesem Blogbeitrag angerissen werden konnten.
- Wenn es belastbare Anhaltspunkte für eine Irreführung dafür gibt, dann benutzen Sie dies als Verteidigung und stellen Sie die befugte Benutzung und damit die Schutzfähigkeit des Unternehmenskennzeichens in Frage.
- Ist das ältere Unternehmenskennzeichen, aus dem Sie in Anspruch genommen werden, eine Firma oder ein schlagwortartiger Firmenbestandteil und ergeben sich belastbare Anhaltspunkte, dass irgendein Firmenbestandteil irreführend ist, dann erwägen sie nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ die Geltendmachung eines Löschungsanspruchs aus § 37 Abs. 2 HGB.
Sofern Sie selbst Inhaber eines älteren Unternehmenskennzeichens sind und sich gegen eine Rechtsverletzung wehren wollen, vergessen Sie nicht:
- Irreführende Unternehmenskennzeichen genießen keinen Schutz, so dass die Eignung zur Irreführung in jedem Fall auf die „Checkliste“ möglicher Risiken gehört. Gibt es hierfür keine ernsthaften Anhaltspunkte, um so besser. Gibt es sie, sollten Sie über Möglichkeiten der Risikominimierung nachdenken.
- Wenn Sie sich auf eine Firma oder einen schlagwortartigen Firmenbestandteil stützen und das Risiko besteht, dass ein Firmenbestandteil irreführend sein könnte, dann denken Sie ggf. rechtzeitig über eine Löschung bzw. Änderung dieses Firmenbestandteils nach. Diese kann insbesondere dann empfehlenswert sein, wenn ihrem Gegner selbst keine (jüngeren) Rechte zustehen.
- Selbst wenn die Firma unbefugt geführt wird und deshalb als solche keinen Schutz genießt, mag deren schlagwortartiger Bestandteil im Einzelfall als besondere Geschäftsbezeichnung gemäß § 5 Abs. 2 Alt. 3 MarkenG geschützt sein, so dass sich Ansprüche hierauf stützen lassen.
Selbstverständlich stehen wir Ihnen zu all diesen Fragen umfassend mit Rat und Tat zur Seite. Sprechen Sie uns gerne an.
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