Designrecht im Wandel: Die wichtigsten Neuerungen der EU-Reform und ihre Folgen
I. Historie: Ein Marathon mit Hindernissen
Rund zehn Jahre hat der Prozess gedauert – nun ist es soweit und das neue EU-Designrechtspaket wurde offiziell angenommen.
Die ersten Anstöße der EU-Kommission zur Reform des EU-Designrechts gab es bereits im Jahr 2014. Daraufhin holte die Kommission zahlreiche Stellungnahmen ein und setzte sich mit verschiedenen Aspekten auseinander. Bemängelt wurden u.a. veraltete und komplizierte Verfahren, Rechtsunsicherheiten aufgrund unterschiedlicher nationaler Regelungen und fehlender Interoperabilität mit dem Designsystem der Union sowie die fehlende Anpassung an das digitale Zeitalter. Die Evaluierung mündete schließlich in konkreten Vorschlägen für eine neue Design-Richtlinie und für Änderungen der bisher geltenden Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, welche Ende 2022 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurden.
Am 14. März 2024 nahm das EU-Parlament die Legislativvorschläge für zwei Regelungen an:
- Die neue Design-Richtlinie (Neufassung der Richtlinie 98/71/EG) („Design-RL“), die an die Stelle der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen getreten ist.
- Eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2246/2002 der Kommission vom 16. Dezember 2002 (Unionsdesignverordnung, „UDV“).
Am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union treten die neuen Rechtsakte in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben eine Frist von 36 Monaten, um die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Design-RL über den rechtlichen Schutz von Designs zu ergreifen. Die UDV wird vier Monate nach ihrem Inkrafttreten unmittelbar in der gesamten EU gelten.
II. Reformierung: Mehr als nur eine Namensänderung
Die Reformierung zeigt sich bereits an einem neuen Namen. Der in die Jahre gekommene und aus Sicht eines Laien oftmals verwirrende Begriff „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ wird ersetzt durch den Begriff „Unionsdesign“ (Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 UDV). Insgesamt zielen die Neuerungen vor allem darauf ab, das Designsystem zu vereinfachen und besser zugänglich und effizienter zu gestalten sowie den Regelungsrahmen angesichts der Entwicklungen bei neuen Technologien auf dem Markt zu aktualisieren (vgl. Erwägungsgrund 6 Design-RL und Erwägungsgrund 7 UDV).
1. Erweiterter Schutzumfang für Designs
Neben der Namensänderung werden auch die Begriffe „Design“ und „Erzeugnis“ neu definiert (vgl. Art. 2 Design-RL bzw. Art. 3 UDV). Dies führt im Ergebnis zu einer Erweiterung des Schutzumfangs für Designs.
Dabei sollten insbesondere im Zuge der Digitalisierung hinzugetretene neue Erscheinungsformen erfasst werden, etwa dynamische oder fluide und rein digitale Designdarstellungen – solange sie sichtbar wiedergegeben und der Öffentlichkeit durch Bekanntmachung oder Einsichtnahme zugänglich gemacht werden können.
Der Begriff „Design“ wird definiert als „die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon, die sich aus den Merkmalen, insbesondere den Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur, den Werkstoffen des Erzeugnisses selbst und/oder seiner Verzierung ergibt, einschließlich der Bewegung, der Zustandsänderung oder einer anderen Art der Animation dieser Merkmale“.
Neu ist danach unter anderem, dass künftig auch die Bewegung der Merkmale, ihr Übergang in andere Erscheinungsformen oder andere Arten der Merkmalsanimationen erfasst sein werden.
Hinzu tritt die Erweiterung des Begriffs „Erzeugnis“, welcher nunmehr „jeden industriellen oder handwerklichen Gegenstand, ausgenommen Computerprogramme, unabhängig davon, ob er in einem physischen Objekt verwendet wird oder eine nicht physische Form annimmt, einschließlich: [...]“ erfasst.
Neu ist danach insbesondere, dass auch räumliche Anordnungen von Gegenständen sowie grafische Arbeiten und grafische Anwenderschnittstellen als Erzeugnisse erfasst werden. Damit werden künftig auch die Erscheinungsformen digitaler Räume oder Gegenstände (z.B. in Computerspielen) designschutzfähig sowie Objekte des Metaverse oder NFT-Objekte.
Computerprogramme bleiben aber weiterhin vom Erzeugnisbegriff ausgeschlossen. Ihr Schutz richtet sich nach Urheberrecht.
Auch die Vorgaben an die Darstellung des Designs wurden entsprechend angepasst. Gemäß Art. 26 Abs. 1 Design-RL ist das Design in einer beliebigen Form darzustellen, wobei die Wiedergabe statisch, dynamisch oder animiert sein kann und neben Zeichnungen und Fotografien auch mit Videos oder Computerbildgebung und -modellierung erfolgen kann. Die Wiedergabe muss gemäß Art. 26 Abs. 2 Design-RL alle Aspekte des Designs in einer oder mehreren Ansichten wiedergeben. Weitere Spezifikationen, insbesondere in Bezug auf die Art und Anzahl der zu verwendenden Ansichten sollen noch festgelegt werden (vgl. Art. 26 Abs.6 Design-RL).
Bislang sah Art. 4 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (VO (EG) Nr. 2246/2002) vor, dass maximal sieben Ansichten pro Designanmeldung wiedergegeben werden konnten. Zudem durfte eine einzelne fotografische oder sonstige grafische Darstellung nur eine Ansicht zeigen.
Im Lichte des neuen Schutzumfangs von Designs sowie der neuen Wiedergabemedien, insbesondere in Form von Videos, dürften die bisherigen Beschränkungen zukünftige Anmelder vor Herausforderungen stellen. Eine zu enge Begrenzung birgt hier die Gefahr, dass die Schutzerweiterungen letztlich untergraben würden.
Unklar ist bislang auch, wie weit der Schutz des einzelnen Erzeugnisses reicht und wie sich die einzelnen Schutzgegenstände zueinander verhalten, insbesondere ob etwa eine dynamische oder fluide Darstellung Eigenart gegenüber und somit auch Schutz für jede statische Darstellung desselben Erzeugnisses begründet.
Es bleibt daher spannend, wie die weiteren Spezifikationen aussehen werden und sich die Rechtsprechung hierzu positionieren wird.
2. Erweiterte Rechte: Schutzlücken schließen
a) Regelung betreffend 3D-Drucktechnologien
Insbesondere mit der zunehmenden Entwicklung von 3D-Drucktechnologien wurde schnell deutlich, dass das bislang geltende Designrecht insoweit Schutzlücken aufwies. Der bloße Versand von Dateien etwa an einen Verbraucher, welche diesem ermöglichen, zum privaten Gebrauch ein designverletzendes Erzeugnis über einen 3D-Drucker zu erstellen, erfolgt ohne Nutzung der Erscheinungsform eines Erzeugnisses und begründete daher nach bisherigem Recht keine Designverletzung. Ein Vorgehen gegen den Versender der Datei war somit nicht möglich.
Dem wollte der Gesetzgeber einen Riegel vorschieben, indem er in Art. 16 Abs. 2 lit. d Design-RL und Art. 19 Abs. 2 lit. d UDV die Verbotsrechte des Designinhabers erweitert hat (vgl. Erwägungsgrund 27 Design-RL und Erwägungsgrund 14 UDV). Dieser kann nunmehr Dritten auch untersagen, „das Erstellen, Herunterladen, Kopieren und das Teilen oder Verbreiten von Medien oder Software, mit denen das Design aufgezeichnet wird, um die Herstellung eines [designverletzenden] Erzeugnisses [...] zu ermöglichen“.
Spannend bleibt, ob mit dieser Regelung auch tatsächlich die Schutzlücke geschlossen wird oder sich Möglichkeiten bieten, diese zu umgehen. Dies wird insbesondere davon abhängen, wie Gerichte den insoweit eher unklaren Wortlaut „mit denen das Design aufgezeichnet wird“ (in der englischen Fassung „recording the design“) auslegen werden.
Heutzutage gibt es unterschiedliche technische Lösungen, um ein 3D-Objekt zu drucken. Voraussetzung ist zunächst, dass ein 3D-Modell vorliegt. Die für den Druck erforderliche 3D-Druck-Software funktioniert aber oftmals so, dass diese ein angefertigtes 3D-Modell in dünne Schichten („Slices“) zerlegt und dabei die Modell-Datei in das Format oder die Steuersprache des 3D-Druckers übersetzt. Zur Ausführung des Drucks übermittelt die Software konkrete Druckparameter oder Befehle an den Drucker. Ob dieser der Anfertigung des 3D-Modells nachgelagerte Vorgang zur Erstellung des 3D-Drucks auch von der Neuregelung erfasst sein soll, wird also eine Frage der Auslegung sein.
In Bezug auf die neue Regelung hatte das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb in seinem Stellungnahme zu den Vorschlägen zur Designrechtsreform vom 23. Januar 2023 angemerkt, dass weitere häufig auftretende Fälle mittelbarer Rechtsverletzungen insbesondere durch das bloße Verbreiten von Medien oder Software, mit denen das Design aufgezeichnet wird, allein zum Zwecke der Anzeige auf Computern oder smarten Geräten und nicht um eine Herstellung des Erzeugnisses zu ermöglichen, vom Wortlaut der Neuregelung nicht erfasst würden. Der Gesetzgeber hat jedoch an der engen Formulierung festgehalten.
b) Transitregelung
Zudem wird eine dem Unionsmarkenrecht entsprechende „Transitregelung“ ergänzt, um die Bekämpfung von Produktpiraterie zu erleichtern. Nach Art. 16 Abs. 3 Design-RL bzw. Art. 19 Abs. 3 UDV ist es Rechteinhabern erlaubt, die Durchfuhr rechtsverletzender Erzeugnisse durch das Hoheitsgebiet der EU und ihre Verbringung in sämtlichen zollrechtlichen Situationen zu verhindern, auch wenn solche Erzeugnisse nicht dazu bestimmt sind, in der Union in Verkehr gebracht zu werden (vgl. auch Erwägungsgrund 29 Design-RL).
3. Einschränkung durch Schutzschranke: Die neue Reparaturklausel
Neben den Schutzerweiterungen gibt es auch Einschränkungen – insbesondere eine neue Reparaturklausel. Diese soll für eine umfassende Harmonisierung der Schrankenregelung im Ersatzteilmarkt sorgen – auf Unionsebene und auf nationaler Ebene mit Blick auf Unionsdesigns und nationale Designs.
In Deutschland war nach heftiger Diskussion noch im Jahr 2022 in § 40a DesignG eine Reparaturklausel eingeführt worden. Diese stimmt im Wesentlichen schon mit den neuen EU-Regelungen überein, wenn auch die Formulierungen im Detail etwas abweichen. Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage ergeben sich somit vor allem für solche Mitgliedstaaten, die bislang keine Reparaturklausel vorgesehen hatten. Dies betrifft vor allem Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Kroatien, Litauen, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, und Zypern. Insoweit sorgt die neue Klausel für mehr Rechtssicherheit und Interoperabilität der nationalen Designsysteme innerhalb der EU.
Damit sich Industrie und Designinhaber auf die Änderungen einstellen können, gewährt Art. 19 Abs. 4 Design-RL eine Übergangsfrist von 8 Jahren – etwas weniger als die ursprünglich im Entwurf vorgesehenen 10 Jahre – ab dem Tag des Inkrafttretens der Richtlinie. Innerhalb dieser Frist kann die Reparaturklausel nicht gegenüber solchen Designs eingewendet werden, deren Eintragung vor dem Tag des Inkrafttretens der Design-RL beantragt wurde.
a) Voraussetzungen
Die nunmehr in Art. 19 Design-RL und Art. 20a UDV verankerte Reparaturklausel erlaubt es Herstellern von Ersatzteilen, geschützte Designs zu nutzen, um sog. must-match-Ersatzteile zu produzieren und zu vermarkten, die eingetragene Designs reproduzieren. Dies gilt jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen:
- Es handelt sich um ein Bauelement eines komplexen Erzeugnisses.
- Das Design des Bauelements hängt von der Erscheinungsform des komplexen Erzeugnisses ab (sog. „must-match“ Ersatzteile).
- Das Ersatzteil wird ausschließlich zum Zwecke der Reparatur des komplexen Erzeugnisses verwendet, um diesem wieder seine ursprüngliche Erscheinungsform zu verleihen.
- Hersteller oder Verkäufer des Ersatzteils müssen die Verbraucher durch klare und sichtbare Angabe auf dem Ersatzteil oder in anderer geeigneter Form über den gewerblichen Ursprung und die Identität des Herstellers des Erzeugnisses informieren.
Umstritten war bei der alten Reparaturklausel, ob davon nur formgebundene Bauteile erfasst sind, d.h. Bauteile, deren Design durch die Gestaltung des übrigen Erzeugnisses vorgegeben ist (z.B. Teile der Karosserie, Kotflügel oder Kühlerhaube) – oder auch formungebundene Bauteile, wie zB die Felge eines Kfz. Letzteres hatte der EuGH im Rahmen der Auslegung der bislang geltenden Reparaturklausel des Art. 110 Abs. 1 GGV bejaht (vgl. EuGH, Urt. v. 20. Dezember 2017, C-397/16, C-435/16 – Acacia/Audi ua und Acacia ua/Porsche). Insoweit ist begrüßenswert, dass der Gesetzgeber nunmehr für Klarheit gesorgt und die Klausel auf formgebundene Bauteile beschränkt hat.
Hinsichtlich des Erfordernisses, dass das Ersatzteil ausschließlich zum Zweck der Reparatur verwendet wird, treffen den Anbieter oder Hersteller des Bauelements nach der vorstehend genannten Rechtsprechung des EuGH strenge Sorgfaltspflichten bezüglich der Einhaltung des Reparaturzwecks (vgl. EuGH, Urt. v. 20. Dezember 2017, C-397/16, C-435/16, Tz. 85 - 89 – Acacia/Audi ua und Acacia ua/Porsche). Dieser habe danach etwa seine Kunden über die Verwendung eines Geschmacksmusters und den Reparaturzweck zu informieren. Weiß der Anbieter oder Hersteller des Bauelements, dass seine Abnehmer die Bedingungen der Reparaturklausel nicht erfüllen oder hätte er dies wissen können, müsse er die Lieferung an diese gänzlich unterlassen.
Weiter hat zuletzt das Oberlandesgericht Düsseldorf festgestellt, dass der Anbieter oder Hersteller seine Absicht, das Ersatzteil ausschließlich zur Reparatur zu verwenden, nur nachweisen kann, indem er darlegt, wie er sicherstellen kann, dass das von ihm gelieferte Teil nur als Reparaturersatzteil verwendet wird (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. Juni 2024, 20 U 291/22, Tz. 46 – Autoschlüsselgehäuse).
Diese Anforderungen dürften grundsätzlich auch hinsichtlich der neuen Reparaturklausel fortgelten. Eine Erleichterung ergibt sich insoweit nur aus Art. 19 Abs. 3 Design-RL bzw. Art. 20 a Abs. 3 UDV, wonach der Anbieter oder Hersteller des Bauelements nicht verpflichtet ist, sicherzustellen, dass der Endbenutzer das Ersatzteil ausschließlich für den Zweck der Reparatur verwendet. Hinsichtlich der Abnehmer werden die Sorgfaltspflichten aber wohl weiterhin gelten.
b) Kritikpunkte
Vorangetrieben wurde die Reparaturklausel vor allem auch aufgrund des Europäischen Green Deal, wonach der Verbrauch von Rohstoffen reduziert und Abfall minimiert werden soll, um so der Klimakrise zu begegnen und für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen. Durch die Klausel soll der Wettbewerb im Bereich von Ersatzteilen gefördert werden, um so Reparaturen und Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Gleichwohl war die Einführung einer harmonisierten Reparaturklausel insbesondere in Deutschland hoch umstritten. Gegner sehen darin eine Aushöhlung des vom Designrecht grundsätzlich vermittelten absoluten Schutzes. Insbesondere Sinn und Zweck des Designschutzes, einen wirtschaftlichen Anreiz für Innovationen zu schaffen und die Investition des Designinhabers zu schützen, werde dadurch außer Acht gelassen.
Die Absichten hinter der gesetzlichen Regelung sind nachvollziehbar. Aber ist die Klausel überhaupt geeignet, die Ziele des Gesetzgebers zu erreichen? In der Tat mag sich die Frage stellen, ob mehr Wettbewerb im Ersatzteilmarkt für mehr Nachhaltigkeit sorgen wird, insbesondere, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Ersatzteile dieselbe Qualität wie das Original aufweisen. Günstigere Ersatzteile, die aber von minderer Qualität sind und daher häufiger ausgetauscht werden müssen, würden gerade für mehr Abfall sorgen und daher Sinn und Zweck der Regelung zuwider laufen.
Missglückt ist zudem die Formulierung „ein eingetragenes Design/Unionsdesign, […] wird nicht geschützt“ als Schutzausschließungsgrund statt als Schutzschranke. Die Klausel wirkt nach allgemeiner Ansicht aber als Schutzschranke, indem bestimmte Handlungen in Bezug auf Bauteile komplexer Erzeugnisse zu Reparaturzwecken freigestellt werden. Dies ergibt sich auch aus Erwägungsgrund 34 Design-RL und Erwägungsgrund 19 UDV.
Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Einschränkung in Absatz 2 nur für Hersteller und Verkäufer eingreift, wenn diese den Verbraucher nicht hinreichend informiert haben. Es sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen ein mit einem geschützten Design identisches Ersatzteil durch einen Dritten, der nicht Hersteller oder Verkäufer ist, benutzt wird. Etwa, wenn ein Dienstleister, der nicht zugleich Hersteller oder Verkäufer ist, ein solches Ersatzteil einbaut und dadurch in den Verkehr bringt. Dieser soll sich dann aber auf die Reparaturklausel berufen dürfen, auch wenn der Verbraucher nicht hinreichend informiert wurde? Die Fallkonstellationen mögen zwar eher selten sein. Insoweit besteht aber die Gefahr von Schutzlücken.
Zudem könnte die Reparaturklausel zu Wertungswidersprüchen führen, insbesondere, weil eine entsprechende Klausel für andere gewerbliche Schutzrechte nicht vorgesehen ist.
Im Hinblick auf das Markenrecht hat der EuGH zuletzt in einer – noch zur alten Reparaturklausel in Art. 110 GGMV ergangene – Entscheidung vom 25. Januar 2024 (Rs. C-334/22 – Audi AG/GQ) noch einmal klargestellt, dass die bisher geltende Reparaturklausel aus dem Designrecht im Markenrecht weder unmittelbar noch analog anwendbar ist.
Der Fall betrifft Ersatzteile eines Kühlergrills für ein Fahrzeug, welche ein Element enthalten, das für die Anbringung der bekannten „Audi-Ringe“ gedacht ist und dessen Form mit diesem als Marke geschützten Emblem („Audi-Ringe“) identisch oder ähnlich ist.
Der EuGH geht entgegen der Generalanwältin davon aus, dass die Voraussetzungen einer Markenverletzung in diesem Fall vorliegen können und bejahte diese auch im Ergebnis in dem genannten Fall. Die Schranke des Art. 14 Abs. 1 lit. c UMV greife nicht, wonach eine Benutzung einer Marke des Originalherstellers eines Ersatzteils erlaubt sein kann, wenn die Benutzung nur als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware als Zubehör oder Ersatzteil erfolgt. Um eine solche referenzielle Nutzung handele es sich hier aber nicht, denn die Form des Elements auf dem Kühlergrill sei nur zu dem Zweck gewählt worden, einen Kühlergrill zu vermarkten, der dem Originalkühlergrill so getreu wie möglich sei. Eine Reparaturklausel, wie sie das Designrecht vorsieht, gibt es im Markenrecht nicht. Insoweit betont der EuGH auch, dass eine analoge Anwendung der Klausel ausgeschlossen sei.
Die Generalanwältin beim EuGH Medina schlug in ihren Schlussanträgen zur vorstehend genannten Entscheidung hingegen vor, die Reparaturklausel jedenfalls mittelbar zu berücksichtigen, etwa bei der Beurteilung einer markenmäßigen Benutzung, um so Wertungswidersprüche zwischen Marken- und Designrecht zu vermeiden. Bei Vorliegen bestimmter Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Verbraucherwahrnehmung, bestimmter Verkaufsbedingungen und Gegebenheiten des jeweiligen räumlichen Marktes, könne nach Ansicht der Generalanwältin der Verkauf von Ersatzteilen mit einem der Marke ähnlichen Element zur Anbringung des Markenemblems keine markenmäßige Benutzung darstellen (Schlussanträge, Rn. 37, 46).
Ein unterschiedliche Regelung von Marken- und Designrecht dürfte teilweise dazu führen, dass sich die Diskussion um die zulässige Herstellung und Vermarktung des jeweiligen Ersatzteils vom Designrecht ins Markenrecht verlagert.
Zudem entsteht in Fällen, in denen sowohl das Designrecht als auch das Markenrecht tangiert ist, weil etwa das Originalerzeugnis mit einem Markenemblem des Herstellers oder einem diesem ähnlichen Zeichen versehen ist, ein Dilemma: Das Markenrecht verbietet einerseits eine markenmäßige Benutzung, soweit die Marke nicht nur als Referenz im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. c UMV genutzt wird; andererseits greift die Reparaturklausel möglicherweise nicht, wenn das Ersatzteil von dem Original abweicht und dem Erzeugnis nicht seine „ursprüngliche Erscheinungsform“ verleiht. Nach dem EuGH ist Voraussetzung, dass die Reparaturklausel nur auf optisch identische Ersatzteile anwendbar ist (EuGH, Urt. v. 20. Dezember 2017, C-397/16, C-435/16, Rn. 57 – Acacia/Audi ua und Acacia ua/Porsche). Der Wortlaut der neuen Reparaturklausel ist insoweit identisch.
In diesen Fällen würde die Reparaturklausel also möglicherweise sogar leerlaufen. Es bleibt daher abzuwarten, ob Rechtsprechung oder Gesetzgeber in Zukunft doch noch einen Gleichlauf der Schutzbeschränkungen hinsichtlich des Ersatzteilmarktes erreichen oder auf andere Weise Widersprüchen vorbeugen werden.
III. Auswirkungen auf die Praxis
Die neuen Regelungen zum Designschutz haben eine Reihe von Auswirkungen auf die Praxis. Es ist daher wichtig, sich daher mit den Änderungen vertraut zu machen und Designschutzstrategien entsprechend anzupassen.
Folgende Punkte sind für die Praxis besonders relevant:
1. Erweiterter Schutzumfang
Die neuen Definitionen von Design und Erzeugnis bieten neue Möglichkeiten zum Schutz von Innovationen. Dies sollte unbedingt im Hinterkopf behalten werden, bevor entsprechende Designentwicklungen veröffentlicht werden. Auch dort, wo etwa der Markenschutz nicht weitreichend genug ist bzw. Lücken aufweist, mag das neue Designrecht vorteilhaft sein. Dies gilt insbesondere für bewegliche oder fluide Logos. Ungeklärt ist aber bislang, wie sich statische und dynamische Designs zueinander verhalten und ob sich Unterschiede zwischen der statischen und dynamischen Designwiedergabe eines identischen oder ähnlichen Erzeugnisses rechtlich auswirken insbesondere auf die Neuheit und Eigenart sowie eine mögliche Designverletzung. Bis zur Klärung dieser Fragen ist es daher ratsam, eine geschickte Anmeldestrategie zu entwickeln.
2. Erweiterte Rechte
Der europäische Gesetzgeber stärkt die Rechte von Designinhabern insbesondere gegen neue Technologien wie den 3D-Druck. Insoweit mag der Wortlaut der neuen Normen jedoch etwas eng gefasst sein. Wie effektiv die neuen Regelungen sind und insbesondere ob sie hinreichenden Schutz gewähren, wird sich daher erst im Zuge der Auslegung durch die Gerichte zeigen. Zu begrüßen ist auch die neue „Transitregelung“, die (wie auch schon im Markenrecht) eine bessere Bekämpfung von Produktpiraterie ermöglichen soll.
3. Reparaturklausel
Auf dem Ersatzteilmarkt werden die Rechte von Designinhabern stärker beschränkt. Hier gilt nunmehr eine EU-weit einheitliche Reparaturklausel mit einer Übergangsfrist von 8 Jahren für vor dem Tag des Inkrafttretens angemeldete Designs. Die Reparaturklausel ist jedoch an strengen Voraussetzungen geknüpft. Um insoweit sicherzustellen, dass Designrechte nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt werden, ist besondere Aufmerksamkeit gefragt. Zudem kann auch hier eine entsprechende Anmeldestrategie sinnvoll sein, um die eigenen Innovationen hinreichend zu schützen. Mit Blick auf die letzten EuGH-Entscheidungen steht zu erwarten, dass sich die rechtliche Diskussion zukünftig vom Designrecht ins Markenrecht verlagern dürfte. Ungeachtet dessen sind derzeit noch viele Fragen ungeklärt. Es ist daher empfehlenswert, die Rechtsprechung genau im Blick zu behalten, um rechtzeitig reagieren und erforderliche Maßnahmen ergreifen zu können.
IV. Fazit: Was lange währt, wird endlich gut?
Die EU-Designrechtsreform ist ein wichtiges Update für das Designschutzrecht. Die Änderungen bieten Designinhabern vor allem neue Möglichkeiten zum Schutz von Designs, erweiterte Rechte sowie mehr Rechtssicherheit innerhalb der EU und Interoperabilität der nationalen Designsysteme. Bei der Entwicklung von Designs und Anmeldestrategien sollten aber auch die Schutzschranken und insbesondere die neue Reparaturklausel nicht außer Acht gelassen werden. Es ist daher wichtig, sich mit den neuen Regelungen vertraut zu machen, die noch ausstehenden Spezifikationen des Gesetzgebers im Blick zu behalten und eigene Designschutzstrategien entsprechend anzupassen.
Gerne beraten wir Sie hierbei.
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