Die Benutzung von (Luxus-) Marken durch Wiederverkäufer – Eine rechtliche Einordnung am Beispiel des Falles Chanel vs. What Goes Around Comes Around
Wir danken an dieser Stelle Sarah Lena Mines, Referendarin in der Wahlstation, für Ihre großartige Unterstützung zu diesem Beitrag.
1. Zum Hintergrund
Bereits im Jahr 2018 reichte der französische Luxushersteller Chanel in den USA Klage gegen den in New York ansässige Unternehmen What Goes Around Comes Around („WGACA“) ein. Am 9. Januar 2024 startete nun das lang erwartete Jury-Verfahren.
Chanel stellt Luxusprodukte aus den Segmenten Bekleidung, Accessoires und Kosmetik her. WGACA vertreibt online sowie im Einzelhandel gebrauchte („pre-owned“) Luxusprodukte, konkret Kleidung, Bekleidungsaccessoires, Taschen und Schmuckwaren von verschiedenen Herstellern, unter anderem auch von Chanel. Nach dem Vortrag von WGACA werden die Stücke von Händlern sowie Privatkunden erworben und sodann im Rahmen eines mehrstufigen Authentifizierungsprozesses überprüft.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Vorwurf von Chanel, WGACA verkaufe gefälschte Chanel-Produkte sowie Chanel-Produkte, die nicht zum Verkauf bestimmt seien. Weiter suggeriere WGACA eine tatsächlich nicht bestehende Verbindung zwischen WGACA und Chanel, indem es Chanel-Marken zur Bewerbung seiner Dienstleistungen nutze, beispielsweise den Hashtag „#wgacachanel“.
Diese beiden Vorwürfe stehen exemplarisch für Auseinandersetzungen zwischen Markeninhabern und gewerblichen Wiederverkäufern auf dem Secondhand-Markt, wie sie auch hierzulande regelmäßig vorkommen. Im Kern geht es dabei um die widerstreitenden Interessen der Originalhersteller auf der einen Seite, die auf den Schutz ihrer – oft bekannten und prestigeträchtigen – Marken bedacht sind, und der Wiederverkäufer auf dem Secondhand-Markt auf der anderen Seite. Es geht um grundsätzliche Fragen, wer dafür verantwortlich ist, wenn gefälschte Waren im Secondhand-Handel landen, und wie Wiederverkäufer für die Marken werben können, die sie führen.
2. Rechtliche Einordnung nach deutschem Recht
Wie sind solche Fälle nach deutschem Recht zu beurteilen? Grundsätzlich stellt die Nutzung einer fremden Marke ohne Zustimmung des Markeninhabers eine Markenverletzung dar. Dem Markeninhaber stehen in diesem Fall Unterlassungsansprüche nach § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2, Abs. 5 MarkenG zu. Oftmals kommt bei Herstellern von Luxusgütern auch der erweiterte Schutz einer bekannten Marke nach § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG in Betracht.
Auf der anderen Seite muss es Wiederverkäufern grundsätzlich möglich sein, fremde Marken zu benutzen, um auf ihr Angebot aufmerksam zu machen. Das deutsche Recht tariert die widerstreitenden Interessen der Beteiligten aus. Es unterscheidet dabei, wie die Marken genutzt werden:
a) Vertrieb von mit der Marke gekennzeichneten Produkten
Hinsichtlich des Vertriebs hängt die markenrechtliche Beurteilung unter anderem maßgeblich davon ab, ob der Wiederverkäufer mit gebrauchten Originalwaren handelt oder ob er sich dem Vorwurf des Vertriebs von Markenfälschungen ausgesetzt sieht.
Für Wiederverkäufer von Originalprodukten gilt § 24 Abs. 1 MarkenG. Nach dem dort geregelten Erschöpfungsgrundsatz ist der Inhaber einer Marke nicht berechtigt, deren Benutzung für Waren zu untersagen, die er selbst erstmals in einem Land des Europäischen Wirtschaftsraums (EU-Staaten, Schweiz, Norwegen) in den Verkehr gebracht hat oder die mit seiner Zustimmung erstmals in den Verkehr gebracht worden sind. Der Verkauf von dort rechtmäßig in den Verkehr gebrachten gebrauchten Originalprodukten durch einen Wiederverkäufer ist daher grundsätzlich markenrechtlich nicht zu beanstanden. Anders sieht es bei Originalwaren aus, die anderswo in Verkehr gebracht worden sind, etwa in den USA. Den Weitervertrieb solcher Waren in Deutschland kann der Markeninhaber also nach § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG unterbinden.
Bei Produktfälschungen kann selbstverständlich von vornherein keine Erschöpfung eintreten, weil sie nicht im Sinne des § 24 Abs. 1 MarkenG durch den Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht wurden. Stattdessen ist davon auszugehen, dass der Wiederverkäufer, der mit der Marke versehene Produktfälschungen absetzt, die Marke für eigene Waren verwendet und dadurch das Ausschließlichkeitsrecht des Markeninhabers verletzt (BGH, Urt. v. 15. März 2012, I ZR 52/10, Tz. 22 – Converse I).
In einem Fall wie dem eingangs erwähnten wäre daher (auch) bei Anwendbarkeit deutschen Markenrechts von entscheidender Bedeutung, ob es sich bei den angebotenen Waren um Originalprodukte handelt, die darüber hinaus zumindest mit Zustimmung des Markeninhabers in den Verkehr gebracht worden sind, und zwar innerhalb des EWR. Im Streitfall trägt die Beweislast – und damit auch das rechtliche und wirtschaftliche Risiko – grundsätzlich der Wiederverkäufer (BGH, Urt. v. 15. März 2012, I ZR 52/10, Tz. 26 – Converse I).
b) Nutzung der Marken in der Werbung
Besonders sensibel ist darüber hinaus die Nutzung von Marken durch den Wiederverkäufer in seiner Werbung, etwa auf seiner Website, in sozialen Medien oder auch durch Buchung entsprechender Keywords. Die Marke ist regelmäßig ein wichtiges Keyword, um auf das eigene Angebot aufmerksam zu machen. Aus der Sicht der Markeninhaber besteht allerdings in besonderer Weise das Risiko der Rufausbeutung. Dabei geht es nicht nur um das Ob, sondern auch um das Wie der Markennutzung.
Auch insoweit gilt zunächst der Erschöpfungsgrundsatz nach § 24 Abs. 1 MarkenG. Er gestattet dem Wiederverkäufer nicht nur den Vertrieb der (Original-) Waren, sondern auch deren Bewerbung unter ihrer Marke (sog. „Ankündigungsrecht“). Handelt es sich bei den beworbenen Waren nicht um Originalprodukte, gilt der Erschöpfungsgrundsatz natürlich auch für die Bewerbung dieser Produkte nicht (BGH, Urt. v. 28. Februar 2007, I ZR 77/04,Tz. 21 – AIDOL). Der Erschöpfungsgrundsatz greift unabhängig davon, ob der Wiederverkäufer nur Produkte des Markenherstellers oder auch Konkurrenzprodukte vertreibt (BGH, Urt. v. 28. Juni 2018, I ZR 236/16, Tz. 54 – keine-vorwerk-vertretung). Ein Wiederverkäufer wie WGACA ist also nicht dadurch an der Nutzung einer Marke in der Werbung gehindert, dass er auch Produkte anderer Hersteller anbietet.
Erschöpfung tritt aber nur ein, soweit die Marke ausschließlich in Bezug auf das Markenprodukt verwendet wird. Insbesondere darf der Wiederverkäufer die fremde Marke also nicht einsetzen, um sein Unternehmen losgelöst von diesen Produkten als solches zu bewerben (BGH, Urt. v. 28. Februar 2007, I ZR 77/04,Tz. 21 – AIDOL). Insbesondere kann sich der Markeninhaber nach § 24 Abs. 2 MarkenG trotz eingetretener Erschöpfung der Verwendung des Zeichens aus berechtigten Gründen widersetzen. Solche berechtigten Gründe liegen vor, wenn eine Gefahr für die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke besteht oder wenn die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird (BGH, Urt. v. 28. Juni 2018, I ZR 236/16, Tz. 76 – keine-vorwerk-vertretung). Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass gerade Luxusmarken oftmals bekannte Marken sein werden, die eine entsprechend hohe Wertschätzung und Werbewirkung besitzen.
Bedenklich ist die Nutzung einer (bekannten) Marke daher dann, wenn die Marke in einer Art und Weise zur Bewerbung des eigenen Shops genutzt wird, die das für den Hinweis auf den Vertrieb der konkret angebotenen Markenwaren erforderliche Maß übersteigt. Dabei kann insbesondere auch eine Rolle spielen, ob der Wiederverkäufer hinreichend deutlich macht, dass zwischen ihm und dem Hersteller keine wirtschaftliche Verbindung besteht, um so einer Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion vorzubeugen (BGH, Urt. v. 28. Juni 2018, I ZR 236/16, Tz. 76 – keine-vorwerk-vertretung).
Ob und wann dies der Fall ist, hängt von einer Prüfung aller Umstände des Einzelfalls ab. In einem Fall wie dem eingangs erwähnten wäre etwa genau zu prüfen, ob die Verwendung der Marken noch einen hinreichenden Bezug zu den Originalprodukten aufweist oder ob sich der Wiederverkäufer bereits die Werbewirkung der Marke für sein eigenes Unternehmen zunutze macht. Vor diesem Hintergrund sind Werbemaßnahmen, die eine direkte Verbindung zwischen Wiederverkäufer und Originalhersteller suggerieren – etwa Domains oder Hashtags („wgacachanel“) – mit Vorsicht zu genießen. Es ist dann nicht auszuschließen, dass der Verkehr eine Stellung als offizieller Wiederverkäufer vermuten könnte oder sonst von einer besonderen Expertise ausgeht.
3. Relevanz für Praxis
Die Grenzen der zulässigen Nutzung von Marken durch Wiederverkäufer sind komplex und erfordern eine sorgfältige rechtliche Abwägung. Sowohl Markeninhaber als auch Wiederverkäufer müssen sich dieser Grenzen bewusst sein, um ihre Rechte zu wahren und Konflikte zu vermeiden.
Gerade im Bereich gebrauchter Luxuswaren spielt die Nutzung der entsprechenden Marken in der Werbung eine wichtige Rolle. Besonders hoch ist dadurch aber auch der Anreiz, sich über Gebühr in die Sogwirkung der bekannten Marke zu begeben: Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2019 in Bezug auf Deutschland gaben 40 % der Befragten an, Luxusgüter nur bei autorisierten Händlern zu kaufen; 24 % der Befragten stimmten der Aussage zu, dass sie viel Zeit zur Überprüfung der Echtheit verwenden.
Markeninhaber sind zu Recht darauf bedacht, die besondere Kennzeichnungs- und Werbekraft ihrer Marken zu schützen. Denn sie müssen zwar den Secondhand-Vertrieb ihrer Originalprodukte hinnehmen, nicht aber die Übertragung des guten Rufs und des Prestiges ihrer Marken auf wirtschaftlich nicht mit ihnen verbundene Wiederverkäufer.
4. Schlussfolgerungen für Ihr Unternehmen
Um letztlich im Verkehr einerseits Ihre Marken zu verteidigen und andererseits im Verkehr so zu agieren, dass Sie nicht Gefahr laufen, in Rechtsstreitigkeiten verwickelt zu werden, sind folgende Empfehlungen auszusprechen:
Wenn Sie Hersteller von Markenprodukten sind: Lassen Sie sich beraten, ob Dritte Ihre Marken außerhalb Ihres Vertriebsnetzes und ohne Ihre Zustimmung verwenden dürfen.
Wenn Sie gebrauchte Waren unter einer fremden Marken vertreiben:
- Stellen Sie sicher, dass es sich um Originalprodukte handelt, die im EWR in Verkehr gebracht wurden.
- Lassen Sie sich bei Ihren Marketingstrategien beraten, um im Rechtsverkehr ohne Konflikte handeln zu können. Bei der Benutzung fremder Marken in der Werbung sind Vorsicht und rechtliche Absicherung geboten. Dies gilt insbesondere für Marken mit einem hohen Bekanntheitsgrad.
Wir beraten Sie in diesen Fragen umfassend und bereits im Vorfeld rechtlicher Auseinandersetzungen. Im Streitfall setzen wir Ihre Markenrechte gegen ungerechtfertigte Benutzungen durch oder verteidigen Ihren Vertrieb und ihre Werbung gegen ungerechtfertigte Beschränkungen.
Das könnte Sie ebenfalls interessieren
Die GEMA scheint nun gegenüber den Anbietern generativer KI-Systeme in die Offensive zu gehen. Nachdem sie bereits Ende September ein – aus ihrer Sicht faires – Lizenzmodell für generative künstliche Intelligenz vorgestellt hatte, folgte Anfang November eine „KI-Charta“ als Denkanstoß und Leitfaden für einen verantwortungsvollen Umgang mit generativer KI und nun schließlich die Einreichung einer Klage gegen OpenAI beim Landgericht München I.
In einem wegweisenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 24. Oktober 2024 entschieden, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet sind, Werke der angewandten Kunst unabhängig von ihrem Herkunftsstaat oder der Staatsangehörigkeit ihrer Schöpfer zu schützen. „Werke der angewandten Kunst“ sind Gegenstände, die einem bestimmten Gebrauchszweck dienen, gleichzeitig aber künstlerisch gestaltet sind. Beispiele hierfür sind Möbel wie Stühle, Regale und Lampen, aber auch – unter engen Voraussetzungen – Modeschöpfungen.
Der Einsatz von Cheat- oder Modifikationssoftware ist in der Welt der Videospiele seit jeher umstritten. Während viele Spieler darin eine Möglichkeit sehen, Spiele einfacher oder spannender zu gestalten, sehen Entwickler und Hersteller in solchen Eingriffen häufig eine Bedrohung ihrer Rechte und der Integrität ihrer Produkte. In einem Rechtsstreit zwischen Sony und der britischen Firma Datel über die Verwendung der Cheat-Software „Action Replay“, die es den Nutzern ermöglichte, den Spielverlauf zu verändern, um sich eigentlich nicht vorgesehene Vorteile zu verschaffen, musste sich der EuGH mit der urheberrechtlichen Komponente dieser Thematik auseinandersetzen. Wie der Fall entschieden wurde und welche Auswirkungen das Urteil auf die Praxis der Softwareentwicklung hat, erfahren Sie in unserem Beitrag.
Nach der Novembermann-Entscheidung des BGH sind die Gebühren für Abmahnungen auf Grundlage eines gemeinsamen Gesamtgegenstandswerts zu berechnen und auf die einzelnen Abmahnungen aufzuteilen, wenn die Abmahnungen miteinander derart in Zusammenhang stehen, dass von einer einheitlichen Angelegenheit auszugehen ist.