Das Super-Sportjahr 2024 – auf die Plätze, fertig, „ambush“!
1. Was ist „Ambush“-Marketing?
Der Begriff des „Ambush“-Marketing (dt. die „Werbung aus dem Hinterhalt“) ist dem US-Recht entlehnt. Nach der aktuellen Definition des OLG Karlsruhe handelt sich dabei um das „planmäßige Bestreben von Unternehmen, welche kein rechtliches, offizielles Sponsoringengagement mit einem Veranstalter eines Events eingehen, durch eigene, eventbezogene Kommunikationsmaßnahmen die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken und damit von der Kommunikationsleistung des Events (zum Beispiel der Bekanntheit oder dem Image) zu profitieren“ (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 23. März 2023, Az. 19 U 131/21 – Stadtwappen).
„Ambusher“ zehren von der enormen Anziehungskraft von Großveranstaltungen, ohne aber selbst einen eigenen Beitrag – vor allem keinen finanziellen – zu der jeweiligen Veranstaltung zu leisten. Deshalb sind sie Veranstaltern wie auch offiziellen Sponsoren regelmäßig ein Dorn im Auge. Aus deren Sicht gefährden sie die Exklusivität des Sponsorenkreises und tragen im Ergebnis dazu bei, dass die Attraktivität des Sponsorings – welches für die Veranstalter regelmäßig eine der Haupteinnahmequellen darstellt – insgesamt sinkt. Das im Windschattender Sponsorenbeiträge laufende „Ambush“-Marketing Dritter wird daher gelegentlich auch als „Trittbrettfahrer-Marketing“, „parasitäres Marketing“oder „Guerilla-Marketing“ bezeichnet (vgl. auch Fezer MarkenR/Fezer, 5. Aufl. 2023, MarkenG, § 3Rn. 159).
2. Zur Zulässigkeit von „Ambush Marketing“
Diese Begrifflichkeiten sind freilich mit Vorsicht zu genießen. Denn sie insinuieren, dass es sich beim „Ambush“-Marketing per se um rechtswidriges Verhalten handele. Das ist aber mitnichten so.
Vielmehr ist das Werben in räumlicher Nähe zum Mitbewerber – anders als noch nach früherer Rechtsprechung, nach der derartige Werbemaßnahmen nur ausnahmsweise zulässig waren (vgl. BGH, Urt. v. 27. Februar 1986, Az. I ZR 210/83 – Handzettelwerbung) – heute grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BeckOK/Menebröcker/Blank/Smielick, UWG, 23. Edition, Stand: 1. Januar 2024, § 4 Rn. 568).
Der Ball liegt damit nun in der anderen Hälfte des Spielfelds: „Ambush“-Marketingmaßnahmen sind zulässig, soweit nicht besondere Anhaltspunkte für eine Unzu-lässigkeit bestehen. Welche Anhaltspunkte das sein können, zeigen wir Ihnen nachfolgend auf:
3. Das Lauterkeitsrecht
Anlehnende Werbemaßnahmen im Sinne von „Ambush“-Marketing können wettbewerbswidrig sein, wenn sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Werbende sei selbst offizieller Sponsor des in Rede stehenden Events. In diesem Fall dürfte der Tatbestand der Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG erfüllt sein (vgl. Ohly/Sosnitza UWG, 8. Aufl. 2023, § 4 Rn. 4/66 m.w.N.).
Wer Ansprüche geltend machen will, hat im Lauterkeitsrecht freilich noch die Hürde des § 8 Abs. 3 UWG zu nehmen. Denn nur, wer sich hier qualifiziert, besitzt auch die erforderliche Aktivlegitimation um seinen Anspruch zu verfolgen. Für Unternehmen – und das sind Sportverbände, Organisationskomitees und andere Sponsoren – kommt § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in Betracht. Sie hätten dementsprechend ihre Mitbewerbereigenschaft sowie ein gewisses Mindestmaß an Geschäftstätigkeit darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (siehe dazu auch unser Blog-Beitrag vom 18. Januar 2024). Während bei Sponsoren, die gleichartige Waren oder Dienstleistungen anbieten wie der „Ambusher“ auf der Hand liegt, dass dieses Mitbewerber sind, ist die Mitbewerbereigenschaft für Sportverbände und Organisationskomitees allenfalls über Umwege zu konstruieren. Es muss zwischen den Vorteilen des „Ambushers“ durch seine Werbemaßnahme einerseits und den hierdurch für die entsprechende Organisation entstehenden Nachteilen andererseits eine Wechselwirkung bestehen, so dass der Vorteil des einen die Kehrseite des Nachteils des anderen ist (vgl. BGH, Urt. v. 19. April 2018, Az. I ZR 154/16 – Werbeblocker II). Hier stellen sich im Einzelfall schwierige Abgrenzungsfragen.
4. Das Markenrecht
Ist der Veranstaltungsname durch eine eingetragene Marke geschützt, so kann dessen unbefugte Benutzung natürlich eine Markenverletzung nach § 14 Abs. 2 MarkenG darstellen. Doch dieser Fall dürfte selten vorliegen.
Die übliche Bezeichnung von sportlichen oder kulturellen Großveranstaltungen oder sonstigen Ereignissen ist nämlich in aller Regel nicht unterscheidungskräftig, und zwar weder für das Ereignis selbst, noch für die Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Ereignis in Zusammenhang gebracht werden (vgl. BGH, Beschl. v. 27. April 2006, Az. I ZB 96/05 – FUSSBALL WM 2006; BGH, Beschl. vom 27. April 2006, Az. I ZB 97/05 – WM 2006). Es gelten selbstverständlich die gleichen Anforderungen an die Schutzfähigkeit eines Zeichens wie bei allen anderen Zeichen auch (vgl. BGH, Beschl. v. 27. April 2006, Az. I ZB 96/05 – FUSSBALL WM 2006). Selbst, wenn die nicht zur Unterscheidung geeigneten Veranstaltungsbezeichnungen um weitere unterscheidungskräftige Bestandteile ergänzt werden und entsprechende Zeichen dadurch die Eintragungsfähigkeit erlangen, dürfte der diesen Zeichen zukommende Schutzbereich dennoch stark eingeschränkt sein, weil er gerade nicht auf der Veranstaltungsbezeichnung fußt.
Der Ruf von Teilen der Literatur nach der Einführung einer sogenannten „Eventmarke“ als eigenständige Markenkategorie, die eine möglichst umfassend wirtschaftliche Auswertung einer Veranstaltung sichern und Veranstaltern ein Mittel gegen „Ambush“-Marketing an die Hand geben soll, ist ungehört verklungen und im Lichte der obigen BGH-Rechtsprechung wohl auch überholt (vgl. auch BeckOK/Eichelberger MarkenR, 36. Edition, Stand: 1. April 2024, § 8 MarkenG Rn. 266.1 f.).
Veranstaltungsbezeichnungen kann aber Schutz als Werktitel nach § 5 Abs. 1 und 3 MarkenG oder als besondere Geschäftsbezeichnung nach § 5 Abs. 2 S. 1 Var. 3 MarkenG zukommen.
Die Schutzfähigkeit als Werktitel hat der BGH bereits 2009 grundsätzlich anerkannt ohne aber die genauen Voraussetzungen dafür darzulegen (vgl. BGH, Urt. v. 12. November 2009, Az. I ZR 183/07 – WM-Marken). Die Instanzgerichte haben diese Voraussetzungen dahingehend präzisiert, dass eine Veranstaltung dadurch zum titelschutzfähigen Werk wird, dass sie eine immanente thematische Idee verfolgt, die sie visuell, organisatorisch und inhaltlich prägt und sich so den angesprochenen Verkehrskreisen präsentiert (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 29. Juli 2019, Az. 20 U 34/19 – Kiesgrube; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 8. Juli 2020, Az. 6 W 63/20 – Unternehmensjuristen).
Der Schutz als Werktitel erwächst allerdings erst durch eine tatsächliche Benutzungsaufnahme im inländischen Geschäftsverkehr (vgl. BGH, Urt. v. 14. Mai 2009, Az. I ZR 231/06 – airdsl). Ein „Vorausschutz“ existiert nicht, was das Instrument für einen wirksamen Schutz von Großevents jedenfalls dahingehend erheblich einschränken dürfte, dass im Planungsstadium der Veranstaltung noch kein Schutz erzielt werden kann. Zudem ist auch hier eine gewisse Unterscheidungskraft des Titels erforderlich, wenngleich die Anforderungen an diese Unterscheidungskraft etwas geringer als an die herkunftshinweisende Unterscheidungskraft bei Marken sind (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Januar 2009, Az. I ZB 34/08 – My World).
Auch als besondere Geschäftsbezeichnung kann Veranstaltungsbezeichnungen Schutz zu-kommen, wenn die Veranstaltung einen ausreichend abgegrenzten und damit selbständig kennzeichnungsfähigen Geschäftsbereich darstellt (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 3. Februar 2011, Az. 6 U 242/09 – Jim-Clark-Revival). Das Hanseatische Oberlandesgericht hat angenommen, dass die Veranstaltung der Fußballweltmeisterschaft 2006 wegen des Bestehens eines eigenständigen Organisationskomitees ein organisatorisch abgegrenzter Teil des Unternehmens FIFA war (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 7. Februar 2005, Az. 3 W 14/05 – WM 2006). Es gilt allerdings auch hier, dass die Bezeichnung die Hürde eines Mindestmaßes an Unterscheidungskraft überwinden muss.
Vorsicht geboten ist für „Ambusher“ aber bei der Nutzung von Bildzeichen und Logos von Veranstaltungen. Diese können – und werden regelmäßig – ohne weiteres markenrechtlichen Schutz für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen genießen, so dass die Nutzung dieser oder ähnlicher Zeichen in aller Regel einer Markenverletzung darstellen wird. Typischerweise wird die Nutzung solcher Logos denn auch vermieden, und „Ambusher“ verwenden selbst kreierte, generische Bildzeichen als Blickfang, z.B. Abbildungen von Fußbällen im Umfeld einer Fußball-Welt- oder Europameisterschaft.
5. Das Urheberrecht
Dem Urheberrecht kommt im Zusammenhang mit „Ambush“-Marketing nur eine untergeordnete Rolle zu. Es ist aber freilich betroffen, wenn dem Urheberrecht zugängliche Werke unbefugt verbreitet oder vervielfältigt werden, etwa Sportartikel oder Merchandise. Und auch ein urheberrechtlicher Schutz von Bildzeichen und Logos kommt durchaus in Betracht.
6. Olympia-Schutzgesetz
Eine Besonderheit gibt es hinsichtlich der olympischen Spiele. Die olympischen Bezeichnungen wie auch das olympische 5-Ring-Emblem genießen in Deutschland nämlich einen spezialgesetzlichen Schutz durch das OlympSchG. Bedenken, dass es sich hierbei um ein verfassungswidriges Einzelfallgesetz handeln könnte, hat der BGH bereits eine Absage erteilt (vgl. BGH, Urt. v. 15. Mai 2014, Az. I ZR 131/13 – Olympia-Rabatt).
Allerdings ist der Schutz, den das OlympSchG bietet, eher gering. Die erforderliche Verwechslungsgefahr dürfte regelmäßig daran scheitern, dass der Verkehr im Regelfall zwischen der Werbung eines tatsächlichen Sponsors und der sonstigen werblichen Bezugnahme auf die Olympischen Spiele unterscheiden kann (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 2019, Az. I ZR 225/17 – olympiareif). Dieser Umstand begründet sich vor allem darin, dass offizielle Sponsoren ihre Sponsorschaft deutlich herausstellen (vgl. BGH, Urt. v. 15. Mai 2014, Az. I ZR 131/13 – Olympia-Rabatt), was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Verkehr bei Fehlen eines solchen Hinweises regelmäßig nicht von einer Sponsoreneigenschaft ausgehen wird (vgl. auch Kloth, „Dabei sein ist alles?“ in: GRUR-Prax 2019, 245, 246).
Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung eine Verletzung des OlympSchG sowohl bei einer Bewerbung von Sportbekleidung mit „olympiareif“ (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 2019, Az. I ZR 225/17 – olympiareif), als auch bei einer Werbung für Grillpatties, bei der diese in Form der Olympischen Ringe angeordnet waren (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 8. Februar 2018, Az. 2 U 109/17 – Grillpatties) und bei der Bewerbung eines Fitness-Studios mit „Wir holen Olympia in den Club“ (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 1. November 2018, Az. 6 U 122/17 – Olympia Special) abgelehnt.
7. Hausrecht
In begrenztem Umfang vermag „Ambush“-Marketing durch Veranstalter auch durch Ausübung ihres Hausrechts unterbunden zu werden (vgl. BeckOK/Menebröcker/Blank/Smielick UWG, 23. Edition, Stand: 1. Januar 2024, § 4 Rn. 568). Dieses ist allerdings auf den jeweiligen Veranstaltungsort beschränkt und hindert Dritte freilich nicht an Marketingmaßnahmen außerhalb der von dem Hausrecht betroffenen Örtlichkeiten.
8. Fazit für Ihr Unternehmen
Sofern Sie im Zusammenhang mit einem Event werben wollen ohne selbst Sponsor des Events zu sein, sollten Sie daher die folgenden Punkte nicht außer Acht lassen:
- Verschaffen Sie sich einen genauen Überblick über die Rechtelage. Prüfen Sie, ob Ihre Werbung möglicherweise mit der Veranstaltung verknüpfte Marken, Werktitel oder besondere Geschäftsbezeichnungen verletzen könnte.
- Stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen nicht als offizieller Sponsor der Veranstaltung wahrgenommen wird.
- Haben Sie eine Abmahnung erhalten, prüfen Sie auch diese sorgsam und gehen nicht voreilig eine etwaige Unterlassungsverpflichtung ein. Oft sind Abmahnungen fehlerbehaftet, zum Beispiel, weil dem Abmahnenden die erforderliche Aktivlegitimation fehlt oder er Formalien nicht beachtet hat.
Sofern Sie Sponsor oder Veranstalter eines Events sind und sich weitestmöglich gegen„Ambusher“ absichern wollen, vergessen Sie nicht:
- Prüfen Sie, inwieweit ein Markenschutz für die Veranstaltung in Betracht kommt oder ggfs. Werktitelschutz oder Schutz über eine besondere Geschäftsbezeichnung bestehen könnte.
- Prüfen Sie, inwieweit der „Ambusher“ tatsächlich den Eindruck erweckt, er sei Sponsor der Veranstaltung. Heben Sie stets die eigene Sponsorenstellung Ihres Unternehmens hervor.
- Sofern Sie eine Abmahnung aussprechen wollen, stellen Sie sicher, dass diese den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Anderenfalls droht eine kostenpflichtige Gegenabmahnung.
Selbstverständlich stehen wir Ihnen bei allen Schritten umfassend zur Seite. Sprechen Sie uns gerne an.
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