Glück oder LieBee – Kein Ideenschutz für die Verwendung eines Emotionsschlagworts als Produktnamen
1. Lebensmittel als Gegenstand des wettbewerblichen Nachahmungsschutzes
Auch Lebensmittel des täglichen Bedarfs sind gegen unlautere Produktnachahmungen geschützt. Ihnen kann wettbewerbliche Eigenart zukommen, wenn die konkrete Gestaltung oder bestimmte Merkmale der Verpackung des Produkts geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten der darin verpackten Ware hinzuweisen (st. Rspr., vgl. nur BGH Urt. v. 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22, Tz. 15 – Glück).
Obwohl die „Glück“-Konfitüre vor der Launch des „LieBee“-Honigs erst zwei Jahre am Markt eingeführt war, sprach das OLG Hamburg dem „Glück“-Konfitürenglas eine hohe wettbewerbliche Eigenart zu. Denn der Abstand zum Marktumfeld sei erheblich, sodass ihm von Haus aus ein hohes Maß an Originalität zukomme. Für den Gesamteindruck prägend sei die Gestaltung der Glasform, der „No Label“-Look und das plakativ verwendete Emotionsschlagwort „Glück“ als Produktbezeichnung. Die Marke „Glück“ bliebe den angesprochenen Verkehrskreisen als emotional besetztes Zeichen in Erinnerung und wirke deshalb herkunftshinweisend (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 16. Juni 2022, Az. 5 U 95/21).
2. Kein abstrakter Ideenschutz – Nachahmungsschutz immer nur für die konkrete Produktgestaltung
Die Begründung des OLG Hamburg hielt der rechtlichen Überprüfung durch den BGH nicht stand. Das abstrakte Konzept, ein „Emotionsschlagwort“ als Produktnamen zu verwenden, könne die wettbewerbliche Eigenart nicht mitbestimmen. Gegenstand des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes gemäß § 4 Nr. 3 UWG ist immer nur der Schutz von Waren und Dienstleistungen in ihrer konkreten Gestaltung – und nicht die dahinterstehende abstrakte Idee (vgl. BGH Urt. v. 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22, Tz. 23 – Glück).
Aus diesem Grund trug auch die Begründung des OLG Hamburg nicht, mit der es eine Nachahmung des „LieBee“-Honigglases bejaht hatte. Hierzu hatte das OLG Hamburg ausgeführt, erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs nähmen in dem Produktnamen „LieBee“ das Emotionsschlagwort „Liebe“ wahr, auch wenn die Marke letztlich ein Wortspiel aus „Liebe“ und „Bee“ (englisch für „Biene“) sei (vgl. BGH Urt. v. 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22, Tz. 30 – Glück).
Der BGH wandte auch insoweit ein, dass das OLG Hamburg als übereinstimmendes Merkmal beider Produkte zur Begründung der Nachahmung nicht auf die Wahl von – unterschiedlichen – Emotionsschlagwörtern hätte abstellen dürfen. Denn dies komme einem Konzeptschutz gleich, der vom wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz gerade nicht umfasst ist (vgl. BGH Urt. v. 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22, Tz. 35 – Glück).
3. Vermeidbare Herkunftstäuschung bei unterschiedlichen Produktnamen und -kategorien (hier: Honig und Marmelade)
Das OLG Hamburg hatte eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne i.S.d. § 4 Nr. 3 lit. a UWG bejaht. Es war der Auffassung, der Verkehr würde in dem „LieBee“-Honig eine Sortimentserweiterung und Zweitmarke des Herstellers der „Glück“-Konfitüren sehen. Es erscheine plausibel, dass derselbe Hersteller seine Konfitüre „Glück“ und seinen Honig „LieBee“ nenne, wenn die übrige Produktgestaltung im Gesamteindruck übereinstimme und sich jeweils deutlich vom Marktumfeld abgrenze. Die abweichende Kennzeichnung mit der Marke „LieBee“ könne die Herkunftstäuschung nicht ausschließen (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 16. Juni 2022, Az. 5 U 95/21).
Der BGH war auch hier anderer Meinung und meinte, dass die unterschiedlichen Produktnamen und -kategorien (Honig und Konfitüre) eine Herkunftstäuschung verhindern könnten.
Bei Produkten des täglichen Bedarfs (wie hier bei Lebensmitteln), die sich in ihrer äußeren Erscheinungsform und in der Gestaltung ihrer Verpackung meist nicht wesentlich unterscheiden, ist anerkannt, dass sich der Verkehr in der Regel an den Produkt- und Herstellerangaben – und nicht an der äußeren Gestaltung der Verpackung – orientiert (vgl. BGH, Urt. v. 19. Oktober 2000, Az. I ZR 225/98 – Viennetta; BGH Urt. v. 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22, Tz. 43 – Glück).
Die Frage, welche Bedeutung der Verkehr der Anbringung von unterschiedlichen Produkt- und Herstellerkennzeichnungen beimisst, bedarf einer umfassenden Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, um festzustellen, ob dadurch eine Täuschung des Verkehrs vermieden wird (vgl. BGH Urt. v. 19. Oktober 2000, Az. I ZR 225/98 – Viennetta). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, welche konkreten Produkt- und Herkunftsbezeichnungen auf der Nachahmung verwendet werden, also wie ähnlich und wie unterscheidungskräftig die Zeichen, und in welcher Weise dies geschieht (vgl. BGH, Urt. v. 26. Januar 2023, Az. I ZR 15/22 – KERRYGOLD; BGH Urt. v. 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22, Tz. 43 – Glück).
Das OLG Hamburg hat aus Sicht des BGH nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Produktkennzeichnungen „Glück“ einerseits und „LieBee“ andererseits deutlich voneinander abweichen. Bei abweichenden Produkt- oder Herstellerangaben kommt eine Herkunftstäuschung grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält (vgl. BGH Urt. v. 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22, Tz. 45 – Glück).
Als Zweitmarke des Herstellers der „Glück“-Konfitüre könne der „LieBee“-Honig schon deshalb nicht wahrgenommen werden, weil es sich bei Honig und Konfitüre um unterschiedliche Produkte handele (vgl. BGH Urt. v. 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22, Tz. 46 – Glück).
Auch die Annahme des OLG Hamburg, dass der „LieBee“-Honig als Sortimentserweiterung, also als neue Serie der „Glück“-Konfitüre wahrgenommen werde, trage nicht. Denn hierbei habe das OLG Hamburg die abweichenden Produktbezeichnungen nicht hinreichend berücksichtigt. Der Umstand, dass sie beide dasselbe abstrakte Konzept „Produktbezeichnung mit Emotionsschlagwort“ aufgreifen, sei aus Rechtsgründen nicht geeignet, eine Serienzusammengehörigkeit zu begründen (vgl. BGH Urt. v. 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22, Tz. 44, Tz. 49 – Glück).
4. Rufausbeutung auch bei fehlender Herkunftstäuschung möglich
Sollte das OLG Hamburg bei seiner erneuten Prüfung zu dem Ergebnis gelangen, dass der Vertrieb des „LieBee“-Honigglases keine Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG darstellt, wird es weiter zu prüfen haben, ob denn eine unangemessene Rufausbeutung gemäß § 4 Nr. 3 lit. b UWG vorliegt (vgl. BGH Urt. v. 7. Dezember 2023, Az. I ZR 126/22, Tz. 52 – Glück). Eine Rufausbeutung kommt nämlich auch dann in Betracht, wenn eine Herkunftstäuschung aufgrund abweichender Produkt- und Herstellerkennzeichen ausscheidet (vgl. OLG Köln, Urt. v. 15. Januar 2010, Az. 6 U 131/09 – Der Eisbär hustet nicht).
5. Designschutz besteht parallel zum Nachahmungsschutz aus UWG
Hilfsweise hatte sich der Hersteller der „Glück“-Konfitüre auf die Verletzung seiner eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster an dem „Glück“-Konfitüreglas gestützt. In Nachahmungsfällen sollte der Schutz aus Designrecht nicht vernachlässigt werden. Insbesondere in den ersten drei Jahren nach Produkteinführung kommt hier ein Vorgehen aus dem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach Art. 19 Abs. 2 GGV in Betracht.
6. Schlussfolgerungen für Unternehmen
Zum Schutz vor Produktnachahmungen können Sie als Key Takeaways mitnehmen:
- Geschützt gegen Nachahmungen ist immer nur die konkrete Produktgestaltung (also die konkrete Kombination aller Gestaltungsmerkmale wie der Form, Farbe, Schriftart, Abbildungen, Produktkennzeichen etc.), aber nicht das zu Grunde liegende abstrakte „Produktkonzept“.
- Auch Produkte, die erst relativ kurze Zeit am Markt erhältlich sind, können gegen unlautere Produktnachahmungen geschützt sein, wenn sie sich erheblich vom bisherigen Marktumfeld abheben und deshalb wettbewerblich eigenartig sind.
- Es lohnt sich, beim Schutz gegen Nachahmungen nicht nur an das Markenrecht und Wettbewerbsrecht zu denken, sondern auch das Designrecht wie auch das Urheberrecht kommen als Schutzmöglichkeit in Betracht.
Der Schutz gegen Produktimitationen (sog. „Lookalikes“ oder auch „MeToo“-Produkte) gehört zu unserer täglichen Beratungspraxis. Auch wenn sie sich gegen den Vorwurf der Produktnachahmung verteidigen müssen, stehen wir Ihnen mit unserer Expertise beratend zur Seite und stellen gemeinsam mit Ihnen eine Verteidigungsstrategie auf.
Das könnte Sie ebenfalls interessieren
Marken sind wertvolle Vermögenswerte, die im Laufe der Zeit gepflegt und modernisiert werden müssen, um relevant zu bleiben. Die Modernisierung einer Marke ist jedoch ein Balanceakt. Einerseits muss die Marke aktualisiert werden, um den sich ändernden Verbraucherpräferenzen und Markttrends gerecht zu werden. Andererseits ist es wichtig, die Markenidentität und den Wiedererkennungswert zu erhalten. Unser Blogbeitrag beleuchtet, die rechtlichen Rahmenbedingen auf der Basis des europäischen Markenrechts und analysiert welche Möglichkeiten Markeninhaber haben, ihre Marken anzupassen und weiterzuentwickeln, ohne dabei ihre Schutzrechte zu gefährden. Wir zeigen auf, welche Fallstricke es bei der Modernisierung einer Marke zu beachten gilt und geben praktische Tipps für eine erfolgreiche Markenpflege.
Die GEMA scheint nun gegenüber den Anbietern generativer KI-Systeme in die Offensive zu gehen. Nachdem sie bereits Ende September ein – aus ihrer Sicht faires – Lizenzmodell für generative künstliche Intelligenz vorgestellt hatte, folgte Anfang November eine „KI-Charta“ als Denkanstoß und Leitfaden für einen verantwortungsvollen Umgang mit generativer KI und nun schließlich die Einreichung einer Klage gegen OpenAI beim Landgericht München I.
In einem wegweisenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 24. Oktober 2024 entschieden, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet sind, Werke der angewandten Kunst unabhängig von ihrem Herkunftsstaat oder der Staatsangehörigkeit ihrer Schöpfer zu schützen. „Werke der angewandten Kunst“ sind Gegenstände, die einem bestimmten Gebrauchszweck dienen, gleichzeitig aber künstlerisch gestaltet sind. Beispiele hierfür sind Möbel wie Stühle, Regale und Lampen, aber auch – unter engen Voraussetzungen – Modeschöpfungen.
Der Einsatz von Cheat- oder Modifikationssoftware ist in der Welt der Videospiele seit jeher umstritten. Während viele Spieler darin eine Möglichkeit sehen, Spiele einfacher oder spannender zu gestalten, sehen Entwickler und Hersteller in solchen Eingriffen häufig eine Bedrohung ihrer Rechte und der Integrität ihrer Produkte. In einem Rechtsstreit zwischen Sony und der britischen Firma Datel über die Verwendung der Cheat-Software „Action Replay“, die es den Nutzern ermöglichte, den Spielverlauf zu verändern, um sich eigentlich nicht vorgesehene Vorteile zu verschaffen, musste sich der EuGH mit der urheberrechtlichen Komponente dieser Thematik auseinandersetzen. Wie der Fall entschieden wurde und welche Auswirkungen das Urteil auf die Praxis der Softwareentwicklung hat, erfahren Sie in unserem Beitrag.