Markenverletzungen im Metaverse – Anwendbares Recht
1. Was ist das Metaverse
Das Metaverse ist ein Kofferwort aus der Vorsilbe meta (also „jenseits“) und Universum.
Heutzutage wird der Begriff Metaverse häufig als Sammelbegriff für digitale, dreidimensionale Erlebniswelten verwendet, in der sich die Nutzer mit Hilfe von individuell gestaltbaren Avataren aktiv an wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aktivitäten beteiligen können. Obgleich es verschiedene Definitionsansätze gibt (vgl. Übersicht verschiedener Definitionsansätze in einer Studie des Europäischen Parlamentes zum Thema „Metaverse“), existiert noch keine klare Definition.
Aktuell unterscheidet man regelmäßig zwischen zwei Arten von Metaversen:
- Zentralisierte Metaversen: Hier ist ein einzelnes Unternehmen für das Metaverse verantwortlich. Beispiele sind Plattformen wie Second Life, Minecraft und Fortnite oder auch die neusten Vorstöße von Meta.
- Dezentralisierte Metaversen: Diese nutzen Blockchain-Technologie, bei der die Kontrolle nicht bei einem einzelnen Unternehmen liegt. Dezentrale Autonome Organisationen (DAO) spielen eine Schlüsselrolle. Diese Organisationen bestehen aus einem digitalen Programmcode und verwalten eigenes Kapital nach vordefinierten Regeln. Smart Contracts auf Blockchains sind dabei gängige Instrumente.
2. Relevanz des Markenschutzes im Metaverse
Auch im Metaverse bleibt der Markenschutz ein entscheidendes Instrument, um die Identität von Unternehmen und ihrer Produkte oder Dienstleistungen zu wahren. Ohne eine klare Markenstrategie riskieren Unternehmen, auch in virtuellen Welten Opfer von Markenmissbrauch, Rufschädigung und Produktpiraterie zu werden sowie die Kontrolle über die eigene Marktpräsenz zu verlieren. Dies kann im schlimmsten Fall zu einem dauerhaften Wettbewerbsnachteil werden.
Durch die Sicherung von Markenrechten im virtuellen Raum können Unternehmen hingegen nicht nur ihre digitale Präsenz schützen, sondern auch das Vertrauen der Verbraucher aufrechterhalten. Die rechtliche Sicherheit, die der Markenschutz im Metaverse bietet, ist somit von essenzieller Bedeutung, um eine nachhaltige und erfolgreiche Präsenz in der digitalen Realität zu gewährleisten.
Der Schutz von Markenrechten im Metaverse wird jedoch dadurch erschwert, dass das Metaverse im Grundsatz an keine nationalen Grenzen gebunden ist und verschiedene Nutzer regelmäßig in vollkommener Anonymität miteinander interagieren.
Es stellt sich daher die Frage, wie man bestimmt, welches nationale Recht bei Markenverletzung im Metaverse Anwendung findet. Kommt es etwa auf den Wohnort des Nutzers an oder den Standort der Metaverse-Plattform? Welches Recht findet beispielsweise Anwendung, wenn ein Nutzer aus den USA stammt und eine Markenrechtsverletzung in einer virtuellen Umgebung begeht, die von einer Metaverse-Plattform mit Sitz in Deutschland gehostet wird?
3. Anwendbares Recht
Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es keine einheitlichen Rechtsregeln, insbesondere im Bereich des internationalen Privatrechts, die speziell das Metaversum betreffen. Mehrere Arbeitsgruppen untersuchen jedoch, ob spezifische Regeln erforderlich sind, zum Beispiel die UNIDROIT Working Group on Digital Assets and Private Law, und die UK Law Commission mit einem Project unter dem Namen ‘Digital Assets: Which Law, Which Court?‘.
Welches Recht auf Markenrechtsstreitigkeiten, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, Anwendung findet, richtet sich in Deutschland nach der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II-VO“).
Gem. Art. 8 Abs. 1 Rom II-VO gilt bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten und damit auch von Kennzeichenrechten das sogenannte Schutzlandprinzip (lex loci protectionis), wonach das Recht des Staates Anwendung findet, für dessen Gebiet Schutz beansprucht wird.
In der deutschen Rechtspraxis hat dieser Ansatz jedoch sachrechtliche Einschränkungen erfahren, um eine übermäßige Ausdehnung des Schutzes nationaler Kennzeichenrechte zu verhindern. Neben einer Schutzrechtsverletzung im Inland wird verlangt, dass das Internetangebot einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug („commercial effect“) aufweist (vgl. BGH GRUR 2020, 647 Rn. 27 ff. – Club Hotel Robinson; BGH GRUR 2012, 621 Rn. 17 – OSCAR). Das Konzept des „commercial effect“ wurde nicht im Wege eines deutschen Alleingangs entwickelt. Es ist weltweit verbreitet und geht auf Empfehlungen des Standing Committee on the Law of Trademarks, Industrial Designs and Geographical Indications der WIPO zurück.
Grundsätzlich ist von einem relevanten Inlandsbezug immer dann auszugehen, wenn unter dem betreffenden Kennzeichen Waren und Dienstleistungen im Inland angeboten werden (vgl. BGH GRUR 2020, 647 Rn. 28 – Club Hotel Robinson). Das gilt insbesondere wenn auch ins Inland geliefert wird, selbst wenn es sich bei der Bestellung um einen einmaligen Testkauf handelt (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2021, 360 Rn. 40 – Tommy Hilfiger MO Logo Scarf). Kommt es also nach einem Vertragsschluss im Metaverse zu einer Erbringung der Leistung in der realen Welt, liegt häufig ein hinreichender Anknüpfungspunkt vor.
Schwieriger einzuordnen sind die Fälle, in denen die Erbringung der Leistung im Metaverse erfolgt. Hier muss eine umfassende Prüfung der beteiligten Interessen und Umstände erfolgen, um festzustellen, ob eine Verletzung nach deutschem Recht vorliegt (vgl. BGH GRUR 2020, 647 Rn. 28 – Club Hotel Robinson).
In der Vergangenheit waren Indikatoren für eine bestimmungsgemäße Abrufbarkeit und einen relevanten Inlandsbezug etwa eine inländische Kontaktadresse, die Nutzung der „.de“-Top-Level-Domain, eine Webseite in deutscher Sprache, das Angebot von Waren und Dienstleistungen an deutsche Kunden oder ein Versand nach Deutschland (vgl. BGH MMR 2005, 239 (241) – HOTEL MARITIME; BGH GRUR 2018, 417 Rn. 50 – Resistograph).
Diese Anknüpfungspunkte werden bei einer Markenverletzung im Metaverse aber regelmäßig fehlen (vgl. Uhlenhut/Bernhardt, WRP 2023, 139, 144). Es mag daher sein, dass deutsche Gerichte in Zukunft zur Vermeidung von Schutzlücken und zur effektiven Rechtsdurchsetzung im Falle von Markenrechtsverletzungen im Metaverse von dem einschränkenden Tatbestandsmerkmal eines wirtschaftlichen relevanten Inlandsbezuges wieder Abstand nehmen könnten. Dies wird jedoch erst die weitere Entwicklung zeigen. Es erscheint aber nahezu ausgeschlossen, dass deutsche Gerichte bei dieser internationalen Problematik einen nationalen Alleingang wagen würden. Zu erwarten ist, dass die deutsche Rechtspraxis auch international anschlussfähig bleibt.
4. Vertragliche Regelungen
Bereits heute ist zu berücksichtigen, dass viele Metaverse-Plattformen Nutzungsbedingungen haben. Solche Nutzungsbedingungen können Mechanismen für alternative Streitbeilegung, wie Schiedsverfahren oder Mediation, vorsehen und festlegen, welches Recht auf Streitigkeiten anwendbar ist.
Um zwei Beispiele zu nennen:
- So heißt es in den Nutzungsbedingungen von Sandbox: „Die Rechte und Pflichten der Parteien und die Auslegung dieser Bedingungen unterliegen den Gesetzen von Malta, ohne dass die Grundsätze des Kollisionsrechts zur Anwendung kommen.“
- Und in den Nutzungsbedingung von Epic Games heißt es: „Alle Streitigkeiten oder Ansprüche die sich aus oder im Zusammenhang mit diesen Bedingungen ergeben, unterliegen dem Recht von North Carolina, unter Ausschluss der dortigen Rechtswahlregeln.“
Solche Klauseln regeln aber gemeinhin nur das Verhältnis zwischen der jeweiligen Metaverse-Plattform und ihren Nutzen und nicht das Verhältnis zwischen verschiedenen Nutzern. Keine Rechtswirkung können Sie auf außenstehende Dritte haben.
Rein technisch wäre es möglich, Streitbeilegungs- und Rechtswahlklauseln auch im Code der Smart Contracts aufzunehmen, die in der Regel für die automatische Ausführung von Metaverse-Transaktionen verwendet werden. Eine freie Rechtswahl ist im Grundsatz möglich (vgl. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I-VO“)). Die zentrale Frage wäre jedoch, ob man davon ausgehen kann, dass Nutzer dieser Klausel im Einzelfall tatsächlich zugestimmt haben.
5. Schlussfolgerungen für Unternehmen
Die Erschließung des Metaversums ist längst keine Zukunftsvision mehr – viele haben diesen Schritt bereits gewagt.
Unternehmen, die ihre Markenrechte auch im Metaverse schützen wollen, sollten sich frühzeitig darüber Gedanken machen, welches Recht auf die für sie jeweils relevanten Sachverhaltskonstellationen anwendbar ist.
Insofern sind folgende Empfehlungen aussprechen:
- Frühzeitige rechtliche Beratung: Holen Sie sich frühzeitig professionelle rechtliche Beratung ein, um potenzielle Compliance- und Haftungsrisiken zu identifizieren und zu minimieren. Dies ist entscheidend, um Unsicherheiten zu vermeiden und rechtliche Fallstricke zu umgehen.
- Prüfung von Nutzungsbedingungen: Überprüfen Sie sorgfältig die Nutzungsbedingungen der Metaverse-Plattformen, insbesondere im Hinblick auf Streitbeilegungsklauseln und Rechtswahl. Verstehen Sie die vertraglichen Bedingungen, die Ihre Interaktion im Metaverse regeln.
- Implementierung klarer Richtlinien: Entwickeln Sie interne Richtlinien für die Nutzung des Metaversums, die rechtliche Anforderungen, Verhaltenskodizes und den Schutz von geistigem Eigentum berücksichtigen. Schulen Sie Mitarbeiter entsprechend, um Fehlverhalten zu minimieren.
- Schutz des geistigen Eigentums: Prüfen Sie die Möglichkeiten zum Schutz Ihrer Marken und anderer geistiger Eigentumsrechte im Metaverse. Registrieren Sie Marken, wenn dies angebracht ist, und ergreifen Sie Maßnahmen gegen Markenverletzungen.
- Smart Contracts und Blockchain-Prüfung: Wenn Smart Contracts und Blockchain-Technologie verwendet werden, prüfen Sie deren rechtliche Wirksamkeit und Integration in bestehende Rechtsrahmen. Achten Sie darauf, dass Nutzer transparent über solche Mechanismen informiert sind.
- Anpassung an lokale Gesetze: Beachten Sie, dass das Metaverse globale Nutzer haben kann. Passen Sie Ihre Aktivitäten an die jeweiligen lokalen Gesetze an und berücksichtigen Sie mögliche unterschiedliche rechtliche Anforderungen.
Eine externe rechtliche Beratung für den Schutz Ihrer Markenrechte im Metaversum ist daher unverzichtbar. Wir stehen Ihnen bei diesem bedeutenden Schritt gerne zur Seite, bieten unsere Fachkenntnisse und Erfahrung an und unterstützen Sie umfassend.
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